„Die Madonna steht allein, ohne den Engel im Innern einer Kapelle. Links kniet ein anbetender Abt, über dessen Haupt ein breites Spruchband mit zweizeiliger gotischer Minuskellegende schwebt: jesu verbum sumi patris serua seruos tue matris. Im Oberrand ebenso die Inschrift: iudwirus abbas anno domini 1477 und im Unterrand: wolfgangus aurifaber in Spiegelschrift. […] Im Repertorium habe ich a. a. O. ausführlich über diese Kopie berichtet, deren Abhängigkeit von der Madonna des Meisters E S zuerst Frenzel [Kunstblatt 1829. p. 63.] erkannte. Der Hintergrund ist der Verkündigung (Nr. 11) mit einigen Abänderungen entlehnt. Die früher vergoldete Platte, die vermutlich als Epitaph eines Abtes Ludwig von St. Lucian in Graubündten diente, wurde an der Wand der Sakristei einer an das Prämonstratenserstift daselbst stoßenden Kirche gefunden. Der Kunsthändler Hertel in Augsburg, der sie gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts erwarb, ließ die Vergoldung abschleifen und Abdrücke von der Platte nehmen. Diese Drucke befinden sich fast in jeder größeren Sammlung und zeigen eine ziemlich rohe und ungeschickte Arbeit. Nach Nagler [K.-L. XXII. p. 59.] der die Platte später erwarb, gibt es auch neuere Drucke als die von Hertel gemachten, die von Heller u. a. irrig für Kopien gehalten wurden. Die Platte soll später in den Besitz des Königs von Bayern gelangt sein und kam 1857 durch Hefner-Alteneck an das Berliner Kabinett. Fast ebenso häufig wie die gewöhnlichen, an den negativen Inschriften kenntlichen Drucke sind Gegendrücke mit richtiger Schrift. [Neben beiden Abarten findet sich im Berliner Kabinett auch eine radierte Kopie auf bläulichem Papier, die aus der Sammlung v. Lepell stammt.] Sie kommen auch auf altem Papier mit dem Wasserzeichen des Kardinalshutes vor. [Z. B. in der Sammlung v. Lanna in Prag, wo die Schrift oben und unten abgeschnitten ist.] Endlich sah ich in Prag bei A. v. Lanna einen Abdruck mit negativer Schrift in einem aus vier etwa 27 mm. breiten Leisten zusammengesetzten, mit gotischem Blattwerk gefüllten Rahmen (362:297 mm. Bl). Er ist auf Papier mit einem kleinen Wappen als Wasserzeichen gezogen und stammt aus der Sammlung Enzenberg. [Wien 1879 (42 fl. 50 kr.). Er ging 1909 bei der Aukt. v. Lanna für 200 Mk. an das Gothaer Kabinett. Ein gleicher, angeblich alter Abdruck mit der Bordüre brachte 1904 auf der Aukt. Noväk in Stuttgart 560 Mk.] Natürlich ist er so gut wie die anderen ein Kunsthändlerfabrikat, über dessen Bestimmung das ältere Papier nicht täuschen kann. Möglich wäre es wohl, daß auch diese Kategorie von Abdrücken noch von Hertel gemacht sei, und daß die Rahmenplatten später nicht mit der Platte selbst verkauft wurden, so daß man nur noch Drucke ohne den Rahmen in den Handel bringen konnte. Bei allen Drucken sind die Nagellöcher ringsum deutlich sichtbar.“ (Lehrs 1910, II.145-146.80a) „Daß die Platte nicht für den Abdruck bestimmt war, beweist wieder die Schrift, die erst auf dem Abdruck im Gegensinn erscheint, beweisen die 26 Löcher an den vier Rändern, mit deren Hilfe die Platte ursprünglich einmal irgendwie befestigt gewesen sein muß. Sie soll nach Bartsch Ende des XVIII. Jahrhunderts gefunden worden sein.“ (Weixlgärtner 29, 1910/11, S. 348) Erstaunlicherweise finden sich keine alten Abzüge. Es lässt sich nicht auschließen, dass es sich bei dieser Platte um eine Fälschung handelt.