Titel
Gedächtnistafel für die Jerusalem-Pilger aus der Nürnberger Handelsfamilie Ketzel
Allgemeine Bezeichnung
Gemälde
Inventarnummer
Gm581
Sammlung
Gemälde bis 1800
Anzahl der Teile
1
Hersteller
Unbekannt (Haupteintrag)
Herstellungsdatum
um 1595
Herstellungsort
Standort
Dauerausstellung Renaissance, Barock, Aufklärung
Maße
H. 68 cm; B. 109 cm
Material und Technik
Malerei auf Kiefernholz (Pinus sylvestris)
Darstellung
Die Ketzel waren Kaufleute (zu den einzelnen dargestellten Personen: s.o.). Sie handelten mit Gewürzen, aber auch mit Textilien und Eisenwaren, betrieben Eisenhämmer und waren an Bergwerken beteiligt. Sie gehörten zu den ehrbaren, aber nicht zu den ratsfähigen Nürnberger Geschlechtern. Viele von ihnen wurden als Genannte in den Größeren Rat berufen und mit Ehrenämtern betraut. Neben den Rieter waren die Ketzel die eifrigsten Jerusalempilger Nürnbergs. Frömmigkeit, Abenteuerlust und Pretigegewinn waren die hauptsächlichen Antriebe. (Aign hat sich in seiner Publikation von 1961 umfassend der Familie und ihren einzelnen Mitgliedern angenommen.) Mit dem bis ins 14. Jahrhundert zurückreichenden Stammbaum und der Aufzählung der Fürsten, denen man auf den Pilgerreisen Gesellschaft leistete, stellten die Ketzel die Vornehmheit ihres Hauses im allgemeinen und den gesellschaftlichen Rang einzelner Mitglieder desselben unter Beweis. - Nicht klar ist, ob der Maler die Vorlage (s.o. unter "Beziehungen") kopierte oder die Kostüme der Dargestellten modernisierte (vgl. Datierungsproblem auch für das Original - s. Löcher, a.a.O.)
Beziehung zu anderen Objekten
Als Vorlage für das Bild der Jerusalempilger diente eine vermutlich aus dem Haus zum Goldenen Schild in Nürnberg stammende, im frühen 20. Jahrhundert im englischen Privatbesitz nachgewiesene Tafel, die offenbar dieselben Bilder und Inschriften trug. (Vgl. Aign 1961, S. 70 - 71.) - Außerdem liegt mit Gm 582 b eine weitere Pilgertafel der Familie Ketzel vor, sie befindet sich auf der Rückseite einer von zwei (Gm 582 a und b - Vorderseite) zusammengehörenden Bilderstammtafeln der Familie, die sämtliche Familienmitglieder in ihren Verwandschaftsbeziehungen aufzählt.
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Hinweis von Bertold von Haller per Email am 24.1.2023:
Zu den vielen Kunstwerken, die sich in der Kapelle zum Goldenen Schild befanden, dann aber verkauft wurden, gehörte auch eine Pilgertafel der Ketzel aus dem 16. Jh. Das GNM hat davon eine Kopie, aber nur vom unteren Teil der Tafel, der die Ketzel als Pilger darstellt (Gm 581). In der grafischen Slg. des Hallerarchivs liegt ein Skizzenblatt von Wilder, das die Ketzelritter noch vom Original dieser Tafel zeigt.
Bei meiner Recherche nach dem Verbleib stieß ich darauf, dass sich das Original nicht wie behauptet in London, sondern in Irland befand. Ein Foto davon sei 1900 ans GNM geschickt worden, danach wurde der obere Teil mit einer Ansicht Jerusalems 1927 im „Kunstwanderer“ veröffentlicht. Nach einer Utrechter Dissertation von 2013 (wo auch Eure Ketzeltafeln abgebildet sind – solltet das GNM eigentlich haben) ist die Ketzelsche Familientafel vermutlich 1974 verbrannt, die Suche nach dem Foto im GNM sei vergeblich gewesen. Das Aussehen des Gesamtbildes war dem Verfasser aber gar nicht bekannt.
Wilders Abzeichnung betrifft aber, wie seiner Beschreibung von 1854 am Ende zu entnehmen ist, „eine große Kötzelische Familientafel, Jerusalem, das heilige Grab, wandernde u. betende Pilger, vorstellend, unten sind 8 knieende Ritter Közel mit Wappen, Ordensbezeichnungen, Turniergeschenken, Unterschriften von 1389.bis 1503. gehend, abgebildet“. Diese Tafel hing nach Wilder rechts vom Eingang zur Kapelle. Also an der Westwand, wo sie auch auf der Zeichnung GrA 6798 (Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg) angedeutet ist (in der in den Proportionen etc. verbesserten Skizze GrA 6799 ist nur die senkrechte Beschriftung „Kezel“ lesbar; womöglich deutet die Teilung in der Mitte an, dass die Darstellung der Ketzelritter viel höher war!). Vgl. auch Schulz, Nürnbergs Bürgerhäuser, Teilbd. 2, unter Schildgasse 23, S. 513 sowie Aign, Ketzel aaO S. 70f unter „Londoner Pilgertafel“. In seinem Aufsatz „Die Heilig-Grab-Kapelle im Spitalhof in Nürnberg“ (Die Denkmalpflege 9/1907, S. 89–92) spricht Fritz Traugott Schulz auf S. 91 von einer „im Besitz des Lord Powerscourt in London befindlichen, zu Anfang des 16. Jahrhunderts gemalten Gedächtnistafel der Familie Ketzel, auf der unten in flachbogigen Arkaden die einzelnen Mitglieder derselben, die nach dem gelobten Lande gewallfahrtet, in betender Haltung mit dem Wappen und einer Beischrift dargestellt sind. Als erster wird Heinrich Ketzel genannt, der 1389 „zum heyligen Grab vnd auf sant Katherina pergk synay“ zog; als zweiter unser Jörg Ketzel, dessen Darstellung folgende Beischrift trägt: „Ich Jorg Ketzel zug zum heyligen grab mit marggraf Friderich churfürst ausz der mark 1453“.
Zu diesem Gemälde vgl. Bart Holterman: Pilgrimages in Images: Early Sixteenth-Century Views of the Holy Land with Pilgrims’ Portraits as Part of the Commemoration of the Jerusalem Pilgrimage in Germany (Utrecht 2013; hab ich mir als Download aus dem Internet gefischt), S. 54–56: The Powerscourt Panel mit einer Abb. von 1927; das Gemälde befand sich angeblich auf Powerscourt House in Irland (nicht London), wo es u.a. 1903 erwähnt wird (“Very curious picture, brought from Nuremberg by Frederick, fourth Marquis of Londonderry, representing successive knights of the family of Ketzel of Nuremberg, with many shewing their pilgrimages to the Holy Sepulchre, beginning in 1389, successively down to 1503, with kneeling figures of the knights and their coats-of-arms. Also a view of the Holy Land, with the Holy City, Mount Sinai, and various other places, and incidents in their pilgrimages, martyrdoms, etc.”. Das Schloss fiel 1974 einen verheerenden Brand zum Opfer, dabei ging vermutlich auch das Bild zugrunde.
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Ein Gemälde, das dem in Irland verbrannten Gemälden in weiten Teilen entspricht, befindet sich im Schloßmuseum Gotha. Anstelle der Kampfhandlungen links unten ist eine Gedächtnisfigur Friedrichs des Weisen mit einem großen Wappen desselben dargestellt.
Beschreibung
In zwei Reihen hochrechteckige Felder mit den nach (heraldisch) links knienden ritterlich gerüsteten Familienmitgliedern und jeweils dem Ketzelschen Wappen: In Blau auf goldenem Dreiberg eine graue langgeschwänzte Meerkatze, die in der rechten Pfote eine goldene Kugel (Pomeranze) und um den Leib einen goldenen Gürtel mit Ring trägt. Helmzier: Die Meerkatze auf dem Dreiberg. Decken: Blau golden. Deneben auf kleinerem Schild jeweils das Wappen der Ehefrau, dem sich das des Mannes in heraldischer Courtoisie zuneigt. Oben die Abzeichen der Ritterorden, deren Mitgliedschaft durch die Pilgerreisen erworben wurde. Unter dem Dargestellten jeweils auf abgetrenntem Feld eine drei- bzw. vierzeilige Inschrift. Zwei Bild- und Schriftfelder blieben unbesetzt. - Zu den Inschriften siehe unten. --- Einzelbilder von links nach rechts: Obere Reihe: 1. Heinrich Ketzel (gest. 1438), bärtig, barhäuptig, im Harnisch. Wappen der Ehefrau Anna Igelbrecht aus Augsburg. Abzeichen: Kanne mit Blumen (aragonesischer Kannenorden), Schwert mit S-förmig dasselbe umwindendem Gurt (cyprischer Schwertorden), Rad mit Nabe und Handkrubel (St.-Katharinen-Orden von Sinai), Krückenkreuz (Orden vom Hl. Grab). - 2. Georg Ketzel (1423 - 1488), barhäuptig, bartlos, imharnisch. Wappen der Ehefrau Dorothea Roth aus Auerbach. Abzeichen: Muschel mit Stern (Ritterorden St. Jago di Compostela), T mit Glocke (S. Antonius-Orden von Henneberg), Kanne mit Blumen, Schwert mit Gurt, Krückenkreuz. - 3. Ulrich Ketzel (1440 - vor 1484), in Harnisch und Helm. Abzeichen: Pferd mit Zaumzeug, Blütenkranz, Sonne mit Panther und Band, Wolkenkranz, Aus Wolken ragende Hand mit Vogel, Gekreuzte Krückenstäbe, Drache (Drachenorden), Löwe mit Vogel, Drache mit geringeltem Schwanz, Fliegendes Band, Geflügelter Löwe mit Schriftband, Halbes Rad, Kanne mit Blumen, Krückenkreuz, Schwert mit Gürtel, T mit Glocke, Muschel mit Stern, Schiff mit 9 Kronen. - 4. Martin Ketzel (gest. nach 1507), bartlos, in Harnisch und Barett. Wappen der Ehefrau Eva Heiden aus Ulm. Abzeichen: Kanne mit Blumen, Schwert mit Gurt, zweimal das Krückenkreuz. - 5. Wolfgang Ketzel (1472 - 1544), bärtig, barhäuptig, mit einer Fahne mit Madonnenbild. Wappen der 2. Ehefrau Barbara Tetzel: Meerkatze. Abzeichen: Kanne mit Blumen, Schwert mit Gurt, Krückenkreuz. --- Untere Reihe: 1. Georg Ketzel (1463 - 1533), bartlos, mit Haarnetz, in Harnisch und Waffenrock. Wappen der Ehefrau Martha Haller (vermählt 1509). Abzeichen: Andreaskreuz, Schwert mit Gurt, Krückenkreuz. - 2. Sebald Ketzel (1473 - 1530), bärtig, in Harnisch und Waffenrock, mit Barett. Wappen der Ehefrau Katharina Harsdörffer (vermählt 1500). Abzeichen: Schwert mit Gurt, Krückenkreuz. - 3. Michael Ketzel (gest. 1505), bartlos, in Harnisch und Waffenrock, mit Barett. Wappen der Ehefrau Magdalena Marstaller. Abzeichen: Kanne mit Blumen, Schwert mit Gurt, Krückenkreuz. (Felder 4 und 5 der unteren Reihe unbesetzt.)
Vitrinentext
Die Tafel zeigt Mitglieder der Familie, die von 1389 bis 1503 Pilgerfahrten nach Jerusalem unternahmen. Die dort zu Rittern des hl. Grabes Geschlagenen sind mit den auf ihren Reisen empfangenen Orden dargestellt. Den Inschriften ist zu entnehmen, dass einige Reisen in fürstlicher Gesellschaft erfolgten. Die Tafel folgt wahr-scheinlich einem älteren Vorbild. Der Hinweis auf die ausgezeichneten Vorfahren sollte wohl die Aufnahme der Ketzel in das Nürnberger Patriziat befördern. Dies blieb ihnen jedoch trotz der Pilgerehren verwehrt.
Memorial Panel for Jerusalem Pilgrims of the Ketzel Family, Nuremberg Merchants. Painting on pine. The panel shows members of the family who undertook pilgrimages to Jerusalem from 1389 to 1503. Those knighted at the Holy Sepulchre are portrayed with the orders they received during their journeys. The inscriptions infer that some journeys took place in royal company. The panel is probably based on an older painting. The reference to distinguished ancestors was supposed to aid the Ketzels in their bid to be raised to the status of Nuremberg patricians. This was denied them, however, despite the honors received.
Memorial Panel for Jerusalem Pilgrims of the Ketzel Family, Nuremberg Merchants. Painting on pine. The panel shows members of the family who undertook pilgrimages to Jerusalem from 1389 to 1503. Those knighted at the Holy Sepulchre are portrayed with the orders they received during their journeys. The inscriptions infer that some journeys took place in royal company. The panel is probably based on an older painting. The reference to distinguished ancestors was supposed to aid the Ketzels in their bid to be raised to the status of Nuremberg patricians. This was denied them, however, despite the honors received.
Literatur
Essenwein, August von: Katalog der im germanischen Museum befindlichen Gemälde. Nürnberg 1882, Nr. 475.
Essenwein, August von: Katalog der im germanischen Museum befindlichen Gemälde. Nürnberg 1885, Nr. 486.
Essenwein, August von: Katalog der im germanischen Museum befindlichen Gemälde. 3. Auflage. Nürnberg 1893, Nr. 525.
Braune, Heinz: Katalog der Gemäldesammlung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Nürnberg 1909, Nr. 581.
Aign, Theodor: Die Ketzel. Ein Nürnberger Handelsherren- und Jerusalempilgergeschlecht (Freie Schriftenfolge für Familienforschung in Franken 12). Neustadt a.d. Aisch 1961, S. 71--72, Abb. 6, 10.
Löcher, Kurt: Die Gemälde des 16. Jahrhunderts. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Stuttgart 1997, S. 370--372.
Kraack, Detlev: Vom Ritzen, Kratzen, Hängen und Hinsehen. Zum Selbstverständnis der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reisenden auf dem Weg von der Heidenfahrt zur Kavalierstour. In: Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Rainer Babel--Werner Paravicini. Ostfildern 2005, S. 153--154, Abb. 6.
zu weiteren Ketzel-Stiftungen und zum Kontext von Pilger-Memorialstiftungen: Carola Fey: Wallfahrtserinnerungen an spätmittelalterlichen Fürstenhöfen in Bild und Kult. In: Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen. Hrsg. von Carola Fey--Steffen Grieb. Göttingen 2007, bes. S. 152--154.
Daniel Hess: Kulturgeschichte im Germanischen Nationalmuseum. In: Martina Padberg, Martin Schmidt (Hg.): Die Magie der Geschichte. Geschichtskultur und Museum (Schriften des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler, Band 3). Bielefeld 2010, S. 143-144, Abb. 6.
Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder. (Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Band 3) Nürnberg 2010, S. 167, 170, 387--388, Abb. 131.
Sie finden das Objekt in der Dauerausstellung mit der Nummer 1: Dauerausstellung Renaissance, Barock, Aufklärung

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