Titel
Chörlein
Allgemeine Bezeichnung
Kapellen-Erker aus Sandstein (Sebalder Pfarrhof)
Inventarnummer
A3775
Sammlung
Bauteile
Anzahl der Teile
1
Herstellungsort
Nürnberg
Herstellungsdatum
vor 1361
Maße
H. 980 cm
Material und Technik
Sandstein, Reste mehrerer Polychromien
Beschreibung
Der Kapellenerker erhebt sich über den fünf Seiten eines Oktogonsegments, das über einer vierfach gestuften, profilierten und gekehlten Auskragung aus einem Pfeiler mit dem Grundriß eines unregelmäßigen Sexagons hervorgeht. Die vier Kehlen der Auskragung zeigen im Relief, knospendes, fleischiges Blattwerk, Rosetten, Weinranken und Efeu. An den Ecken und am Übergang zur Wand sind an der obersten Kehle Engel angebracht. Drei halten Schriftbänder, der vierte ein Buch. Die Gegenstände der fünften und des letzten lassen sich aufgrund des Verwitterungsgrades nicht mehr bestimmen. Auf den Engeln ruhen die Basen der sechs gestuften, den Kapellenkörper gliedernden Fialenpfeiler, die über Wimpergen krabbenbesetzt in Kreuzblumen auslaufen. Ein Kaffgesims und die Fialenpfeiler bilden die untere und seitliche Begrenzung der fünf Relieffelder (Inv.Nr. Pl.O.2998- 3002), die unter Maßwerkbaldachinen Szenen aus dem Marienleben zeigen. Von rechts nach links (vom Betrachter aus) folgen der Verkündigung die Geburt Christi, die Anbetung der heiligen Drei Könige, der Tod und die Krönung Mariens. Die Oberseiten der Baldachine bilden die nach außen abgeschrägte Sohlbank des Chörleins, auf der die Maßwerkstäbe seiner dreibahnigen, hohen Fenster stehen. In den Fensterzwickeln erscheint jeweils ein Engel. Acht der insgesamt zehn reliefierten Himmelswesen halten Schriftbänder, nur die beiden aus Wolken herabstürzenden in der Achse des Marientodes schwingenden Rauchfässer. Ein rosettendekorierter Kehlenfries leitet zum mehrfach profilierten Kranzgesims über, auf dem die hölzernen Sparren des heute ziegelgedeckten, laut Schmitz ursprünglich wohl steileren Daches aufliegen. Das Innere des Chörleins überfängt ein sechsstrahliges Gewölbe, dessen farbig gefaßte Rippen mit Birnstabprofil über der Brüstungshöhe abgearbeitet sind. Die Fenster imitieren verbleite Butzenverglasung in versetzten Reihen.
Vitrinentext
Der Anbau war Teil der Hauskapelle am Pfarrhof der Nürnberger Sebalduskirche. Das aus der Fassade ragende Polygon barg den Altar. Gestreckte Proportionen kennzeichnen die Figuren der Bildreliefs. Ihr Schöpfer war Mitglied der Sebalder Bauhütte.
Oriel Chapel of the Saint Sebald Vicarage. Forming part of the private devotional chapel, the polygon which projected from the façade contained the altar. Elongated proportions characterize the figures in the relief sculptures. They were the work of a stonemason from the Saint Sebald lodge.
Oriel Chapel of the Saint Sebald Vicarage. Forming part of the private devotional chapel, the polygon which projected from the façade contained the altar. Elongated proportions characterize the figures in the relief sculptures. They were the work of a stonemason from the Saint Sebald lodge.
Literatur
Ralf von Rettberg: Nürnberg's Kunstleben. Stuttgart 1854, S. 25.
Sigmund Meisterlin: Chronik der Reichsstadt Nürnberg. In: Chroniken der fränkischen Städte, Bd. 3. Leipzig 1864, S. 157, 160-161 - Heinrich von Diessenhofen: Chronik. In: Fontes rerum Germanicarum. Bd. IV. Hrsg. aus dem Nachlass Johann Friedrich Boehmers von Alfons Huber. Stuttgart 1868, S. 122 - Heinrich der Taube von Selbach: Chronik. In: ebenda, S. 547-548. - Julius Groeschel: Das Chörlein am Pfarrhofe von St. Sebald in Nürnberg. In: Denkmalpflege, Bd. 1, 1899, S. 93 - Siegfried Graf Pückler-Limpurg: 1904, S. 23, 38 - Kurt Martin: Die Nürnberger Steinplastik im 14. Jahrhundert. Berlin 1927, S. 86-94, 151 Kat. Nr. 189. - Germanisches Museum. Führer durch die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen. Nürnberg 1928, S. 134. - Fritz Traugott Schulz: 1908, S. 18-36, bes. S. 25-26 - Josef Müller: Die Reliefs an den Seitenschiffsportalen der Sebalduskirche in Nürnberg. In: Belvedere, Bd. 9/10, 1926, S. 281-288 - Wilhelm Paeseler: Die Nürnberger Chörlein. Erlangen 1932, S. 46-49 - Georg Pilz: Chörlein. In: Reallexikon der Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 3, 1954, Sp. 538-546. - Günther Bräutigam: Gmünd - Prag - Nürnberg. Die Nürnberger Frauenkirche und der Prager Parlerstil vor 1360. In: Jahrbuch der Berliner Museen, Bd. 3, 1961, S. 38-75 - Erich Mulzer: Nürnberger Erker und Chörlein. Nürnberg 965, S. 194-196. - Heinz Stafski: Die Bildwerke in Stein, Holz, Ton und Elfenbein bis um 1450 (Die mittelalterlichen Bildwerke Bd. 1). Nürnberg 1965, S. 78-81. - Doris Gerstl/ Arnulf von Ulmann: Restaurieren mit Lasertechnik. Beseitigung von Umweltschäden am Chörlein vom Pfarrhof von St. Sebald in Nürnberg. In: Monatsanzeiger. Museen und Ausstellungen in Nürnberg, H. 226, 2000, S. 7-9 - Spiegel der Seligkeit. Privates Bild und Frömmigkeit im Spätmittelalter. Ausst. Kat. Germanisches Nationalmuseum. Nürnberg 2000, S. 214-216, Nr. 46 mit Abb. - Andreas Curtius: Die Hauskapelle als architektonischer Rahmen der privaten Andacht. In: ebenda, S. 35, Abb. 2. - Frank Matthias Kammel: Spätmittelalter. In: Germanisches Nationalmuseum. Führer durch die Sammlung. Nürnberg 2012, (S. 63-114), S. 68.