Ein selbstbewusster Kavalier
Im frontalen Gegenüber malte sich Rembrandt mit einer Halsberge (einem „Panzerkragen“ aus Metall) und einer Liebeslocke. Er zeigt sich damit im Kostüm des höfischen Kavaliers. Bei der Liebeslocke, die an Rembrandts verschatteter Kopfseite auf die Schulter herabfällt, handelte es sich um einen Trend der aristokratischen MännMehr

Ein selbstbewusster Kavalier
Im frontalen Gegenüber malte sich Rembrandt mit einer Halsberge (einem „Panzerkragen“ aus Metall) und einer Liebeslocke. Er zeigt sich damit im Kostüm des höfischen Kavaliers. Bei der Liebeslocke, die an Rembrandts verschatteter Kopfseite auf die Schulter herabfällt, handelte es sich um einen Trend der aristokratischen Männermode. Rembrandts Abstammung war jedoch keineswegs adelig. Mit der Kostümierung und dem direkten Blick aus dem Bild zum Betrachter markiert das Nürnberger Bildnis einen Wendepunkt in Rembrandts Selbstdarstellung: Selbstbewusst trägt der junge Maler seinen gesellschaftlichen, geradezu aristokratischen Anspruch vor.

Statussymbole – Die frühen Selbstbildnisse
Diese gesellschaftlichen Ambitionen sind vor allem in den frühen, in Leiden entstandenen Selbstbildnissen Rembrandts ablesbar, bevor er sich in seiner Amsterdamer Zeit ab 1631 als Bürger und später schließlich auch als arbeitender Maler zeigte. Eines der Selbstbildnisse im höfischen Kostüm gelangte schon um 1630 in die Sammlung des englischen Königs. Dies belegt, dass sie von vornherein zum Verkauf und für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Der Diplomat Constantijn Huygens bezeichnete ihn schon damals als überragendes Malergenie, sagte ihm jedoch gleichzeitig einen gewissen Hochmut nach.
Manche Selbstbildnisse Rembrandts in Kostümierungerinnern an sogenannte Tronies – Studien von Gesichtern, mit denen Ausdruck, Mimik und Charakterdarstellungen erprobt wurden. Es scheint, als ob Rembrandt hier Selbstbildnis und Charakterkopf miteinander verband.

Von der Kopie zum Original
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert galt das Nürnberger Selbstbildnis als Kopie eines Gemäldes im Mauritshuis in Den Haag, über dessen Eigenhändigkeit bis in die frühen 1990er Jahre weitgehend Einigkeit herrschte. 1998 untersuchte eine internationale Expertengruppe die beiden Gemälde im Germanischen Nationalmuseum. Mittels Röntgenaufnahmen wurden am Nürnberger Gemälde Veränderungen im Verlauf des Werkprozesses, sogenannte Pentimenti, festgestellt. Sie dokumentieren Rembrandts kreativen Prozess. Hingegen konnte auf der wesentlich glatter ausgeführten Haager Tafel mithilfe der Infrarotreflektografie eine Vorzeichnung sichtbar gemacht werden, deren Linienführung exakt dem Umriss des Nürnberger Kopfes entspricht. Offenbar wurden dessen Konturen mithilfe einer Schablone auf die Haager Tafel übertragen. So konnte bewiesen werden, dass es sich bei der Nürnberger Tafel um das eigenhändige Selbstporträt Rembrandts handelt.

Weniger
Titel
Selbstbildnis mit Halsberge
Allgemeine Bezeichnung
Gemälde, Selbstbildnis
Inventarnummer
Gm391
Proviso
Museen der Stadt Nürnberg
Sammlung
Gemälde bis 1800
Anzahl der Teile
1
Herstellungsort
Leiden
Herstellungsdatum
um 1629
Hersteller
Rembrandt, Harmensz. van Rijn (1606-1669)
Maße
H. 38,2 cm; B. 31 cm
Material und Technik
Öl auf Eichenholz
Standort
Dauerausstellung Renaissance, Barock, Aufklärung
Beschreibung
Im frontalen Gegenüber malte sich Rembrandt mit einer Halsberge (einem "Panzerkragen") und einer Liebeslocke. Er zeigt sich damit im Kostüm des kecken Haudegens und höfischen Galans. Bei der Liebeslocke oder Cadenette handelte es sich um den letzten Schrei damaliger aristokratischer Männermode. Benannt ist sie nach Seigneur de Cadenette, der die mit bunten Schleifen oder Perlen kokett verzierte Liebeslocke als männliche Haartracht am Hofe Ludwigs XIII. einführte. Sie erfreute sich in ganz Europa bei jungen Kavalieren und selbst noch beim betagten Dänenkönig Christian IV. großer Beliebtheit. Mit der aristokratischen Verkleidung und dem direkten Blick markiert das Nürnberger Bidnis einen Wendepunkt in Rembrandts Selbstdarstellung: In ihm trägt der junge Maler erstmals sein jugendliches Selbstbewußtsein und seinen gesellschaftlichen Anspruch im Adelskostüm vor. Die damit ins Leben gerufene Reihe repräsentativer Selbstbildnisse gipfelt im orientalischen Ganzfigurenbildnis von Paris, das Rembrandt rund zwei Jahre später malte. In diesen Bildnissen, die bis zu Rembrandts Übersiedlung nach Amsterdam in den Jahren 1631/1632 entstanden, trat der noch jugendliche Maler selbstbewußt an die Öffentlichkeit und erhob im Bedeutungskostüm den Anspruch auf den Status eines Aristokraten, bevor er sich in seiner Amsterdamer Zeit dann als Bürger und später schließlich auch als arbeitender Maler zeigte. Eines der höfischen Selbstbildnisse gelangte schon um 1630 in die Sammlung des englischen Königs und belegt damit, daß die Selbstbildnisse des jungen, nicht uneitlen Malers von vornherein zum Verkauf und für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Das in ihnen zum Ausdruck gebrachte Selbstverständnis erzielte dabei offenbar die beabsichtigte Wirkung, wie die Würdigung durch Constantijn Huygens, den Sekretär des oranischen Statthalters Prinz Frederik Hendrik, aus den Jahren 1630/1631 illustriert: Er feiert den jungen Künstler als überragendes Malergenie, sagt ihm jedoch gleichzeitig einen gewissen Hochmut nach . Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert galt das Nürnberger Selbstbildnis als Kopie des Bildnisses in den Haag, das aus einer berühmten holländischen Sammlung stammte. Über die Frage der Eigenhändigkeit herrschte weitgehend Einigkeit, bis Claus Grimm 1991 neue Zweifel weckte und die herrschende Lehrmeinung an Hand von Röntgenaufnahmen und Detailphotos umzustoßen versuchte. 1998 untersuchte eine internationale Expertengruppe die beiden Gemälde in Nürnberg und Den Haag erneut, und zur großen Überraschung entpuppte sich die Den Haager Fassung als Kopie. Mit dem neuen Prädikat eines eigenhändigen Werks sorgte das Nürnberger Bildnis in den großen Rembrandt-Ausstellungen in London und Den Haag für Aufregung und führte auf den begleitenden Kolloquien zu leidenschaftlichen Diskussionen. Zwar blieb die Eigenhändigkeit des Nürnberger Bildes unstrittig, die Beurteilung der Haager Tafel spaltete die Experten jedoch in zwei Lager. Die Zuschreibung des Nürnberger Selbstbildnisses wurde nicht mehr angezweifelt: Im technologischen Aufbau und in der Malweise entspricht das Selbstbildnis den gesicherten Rembrandt-Gemälden der Leidener Zeit. Durch alle Malschichten hindurch erweist sich das erstmals im 19. Jahrhundert in einer Nürnberger Privatsammlung dokumentierte Nürnberger Selbstbildnis als eigenhändiges, authentisch signiertes Werk. Mittels der Infrarotreflektographie konnte außerdem nachgewiesen werden, dass die Haager Tafel mittels einer Schablone nach dem Nürnberger Kopf abgepaust und übertragen worden war. Die ursprünglich als Original eingestufte Fassung erwies sich somit als Variante nach dem Nürnberger Bildnis. Der „Fall Nürnberg – Den Haag“ dokumentiert exemplarisch die Verlagerung der kunsthistorischen Forschung von einer literarischen und ästhetischen Einschätzung zu einer durch technologische Untersuchungen unterstützten Beurteilung von Einzelwerken. Basierte die bisherige Würdigung der Haager Fassung auf der Herkunft aus einer berühmten holländischen Sammlung des 18. Jahrhunderts und der kennerschaftlichen Beurteilung der gemalten Oberfläche, so stützt sich die neue Bewertung auf technologische Untersuchungen und die Kenntnis des Gemäldes durch alle Malschichten hindurch.
Vermerk am Objekt
Beschriftung: ? (Wilhelm von Bode (1876 und 1881) wollte auf Gm 391 ein "echtes" Rembrandt-Monogramm ausmachen; Rudolf Bergau (1877) 'erweiterte' das Monogramm dann auf "RHF", "welches als solches freilich nur erkennen kann, wer vorher weiß, was er zu suchen hat" (R. Bergau, 1877, S. 32). Die Museumskataloge von 1882 bis 1909 erwähnen als Signatur nur noch ein "R". Diese Signatur, die auch in den älteren Museumsunterlagen 'dokumentiert' ist, konnte bei der Untersuchung des Rembrandt Research Project und bei der im Jahre 1992 vorgenommenen Untersuchung für diesen Katalog nicht bestätigt werden., unten rechts)

Vitrinentext
Das Gemälde galt früher als Werkstattkopie. 1998 wurde es als Original Rembrandts bestimmt. Es unterscheidet sich von Selbstbildnissen der Zeit. Denn Rembrandt trägt keine bürgerliche Kleidung. Fiktives Kostüm und Frisur charakterisieren ihn als Adligen oder Offizier.

Self-Portrait in a Gorget. Oil on oak panel. Once considered a workshop copy, the painting was identified as a Rembrandt original in 1998. It differs from other selfportraits of the time in that Rembrandt is not wearing conventional clothing. Hair style and fictitious costume show him as an aristocrat or officer.

Literatur
Verzeichnis des Anton Paul Heinlein'schen ausgezeichneten Kunstcabinets, welches am 9. April 1832 (...) durch den Auctionator J. A. Boerner (...) versteigert wird. Nürnberg 1832, S. 18, Nr. 89.
Die Sammlungen des Handelsgerichts-Assessors Joh. Jacob Hertel aus den Gebieten der Kunst und Wissenschaft (...). Nürnberg 1841, Gemälde Nr. 130. Link zur Bibliothek
Bergau, Rudolf: Zur Kenntnis des G. Flink. In: Zeitschrift für bildende Kunst, 10, 1875, S. 224 ( Zuschreibung an Flink).
Wurzbach, Alfred von: Zur Kenntnis Govaert Flink's, resp. Rembrandt's. In: Zeitschrift für bildende Kunst, 10, 1875, S. 381--383 (weder Den Haag noch Nürnberg, von Flink oder Rembrandt).
Bode, Wilhelm: Die ersten Selbstproträts des Rembrandt van Rijn. In: Zeitschrift für bildende Kunst, 11, 1876, S. 22--224, mit Abb. (Nachstich).
Bergau, Rudolf: Noch einmal das Jugendbild Rembrandt's im Rathaus zu Nürnberg. In: Zeitschrift für bildende Kunst, 12, 1877, S. 32 (Will das Monmogramm "RHF" gefunden haben).
Bode, Wilhelm: Rembrandt's früheste Thätigkeit, Der Künstler in seiner Vaterstadt Leiden. In: Die Graphischen Künste, 3, 1881, S. 49--72 (da das Nürnberger Bild ein echtes Monogramm tragen soll, ist es das ältere, obwohl das Den Haager höher steht; beide 1629).
Wilhelm von Bode, assisted by Cornelius Hofstede de Groot, from the German by Florence Simmondes: The complete work of Rembrandt. Bd. 1, Paris 1897, S. 46, Nr. 16 (a replica in [...] Nurumburg). Link zur Bibliothek
Schwemmer, Wilhelm: Aus der Geschichte der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 40, 1949, S. 97--206, bes. S. 152--153.
Vries, Ary Bob de/Tóth-Ubbens, Magdi/Froentjes, Wiebo: Rembrandt in the Mauritshuis, An interdisciplinary study. Translated from the Dutch by James Brockway with a Foreword by Hendrik Richard Hoetink. Alphen aan de Rhijn 1978, S. 41--47, Nr. 1, bes. S. 45--46 und Anm. 21, Abb. 3, 4 (Nürnberg als: Stodio of Rembrandt).
A Corpus of Rembrandt-Paintings. Foundation Rembrandt Research Project. Bearbeitet von Josua Bruyn--Bob Haak--Simon H. Levie--Pieter J.J. van Thiel--Ernst van de Wetering, Bd. 1: 1625--1631, Den Haag--Boston--London 1982, S. 225--230, Nr. 21, bes. S. 229--230 mit Abb. 3.
Wright, Christopher: Rembrandt, Self-Portraits. London 1982, S. 39, Nr. 6 (unter den Kopien nach Den Haag).
Grimm, Claus: Rembrandt selbst. Eine Neubewertung seiner Porträtkunst. Stuttgart--Zürich 1991, S. 20--21 (um 1629), S. 24--29, Abb. Fig. 32, Fig. 35 (Röntgenaufnahme).
Tacke, Andreas: Die Gemälde des 17. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum. Bestandskatalog. Mainz 1995, Nr. 91, S. 187--191 mit Abb. mit weiterer, älterer Literatur. Link zur Bibliothek
Rembrandts Selbstbildnisse. Ausst.Kat. The National Gallery, London und Königliches Gemäldekabinett, Mauritshuis, Den Haag. Bearbeitet von Christopher White--Quentin Buvelot. Zwolle 1999, Nr. 14a, S. 112--117. Link zur Bibliothek
Wadum, Jørgen: Rembrandt under the Skin. The Mauritshuis "Portrait of Rembrandt with Gorget" in Retrospect. In: Oud Holland, Bd. 114, 2000, S. 164--187.
Sluijter, Eric Jan: The Tronie of a Young Officer with a Gorget in the Mauritshuis: A Second Version by Rembrandt Himself? In: Oud Holland, Bd. 114, 2001, S. 188--194.
Buijsen, Edwin: Rembrandt's Selfportrait with Gorget: an Ongoing Debate. In: Oud Holland, Bd. 114, 2001, S. 155--163.
Werkstatt, Rembrandts. Der Meister in Original, Kopie und Studie. Ausst.Kat. Germanisches Nationalmuseum. Bearbeitet von Daniel Hess. Nürnberg 2001. Link zur Bibliothek
Faszination Meisterwerk. Dürer, Rembrandt, Riemenschneider. Ausst.Kat. des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Nürnberg 2004, S. 210. Link zur Bibliothek
A Corpus of Rembrandt-Paintings. Foundation Rembrandt Research Project. Bearbeitet von Josua Bruyn--Bob Haak--Simon H. Levie--Pieter J.J. van Thiel--Ernst van de Wetering, 4 Bde. Den Haag u.a. 1982--2005, Bd. 4, S. 91, 173, Fig. 135, S. 174; Nr. I A21, S. 597--598.
Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder. (Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Band 3) Nürnberg 2010, S. 246--247, 448, Abb. 208. Link zur Bibliothek

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Selbstbildnis Rembrandt
Self-Portrait Rembrandt