Papagei und Königin
Der reich bemalte dreibeinige Klapptisch aus den Niederlanden, dort als „flap-aan-de-wand“ bezeichnet, hat eine zwölfeckige Tischplatte. Ein auf einem Kirschbaum sitzender Papagei im Blumenkranz schmückt die Oberseite. Auf der Unterseite ist die alttestamentarische Szene des Besuchs der Königin von Saba bei König Salomo gemalt. LehnWeiterlesen

Papagei und Königin
Der reich bemalte dreibeinige Klapptisch aus den Niederlanden, dort als „flap-aan-de-wand“ bezeichnet, hat eine zwölfeckige Tischplatte. Ein auf einem Kirschbaum sitzender Papagei im Blumenkranz schmückt die Oberseite. Auf der Unterseite ist die alttestamentarische Szene des Besuchs der Königin von Saba bei König Salomo gemalt. Lehnte der Tisch zusammengeklappt an der Wand, sah der Betrachter die biblische Darstellung. Als Vorlagen dafür dienten Handwerkern Bilderbibeln. Möbel mit alttestamentarischen Szenen waren typisch für die Hindelooper Wohnkultur und erlebten ihre Blütezeit zwischen 1740 und 1780.

Von Deko und Genre
Diesen Tisch erwarb der Sammler und Zoologe Oskar Kling (1851–1926), der das Germanische Nationalmuseum um 1900 maßgeblich beim Aufbau der damals im Entstehen begriffenen Abteilung „Bäuerliche Altertümer“, wie die Sammlung Volkskunde lange hieß, unterstützte. 1898 ließ er die Museumsbeamten wissen, dass gut bemalte Hindelooper Möbel kaum mehr zu haben seien und er in den Niederlanden solche Stücke für das GNM reserviert habe, „die leicht blos zur Zimmerdecoration weggekauft werden, z.B. einen schönen Tisch“. Hindelooper Möbel waren um 1900 als „Volkskunst“ Mode geworden und wurden bereits nachgeahmt. Maler nutzten sie gelegentlich auch als Anregung für niederländische Genredarstellungen.

Hindeloopen: Niederlande in a Nutshell
Der Tisch wurde Teil der ab 1902 im Museum ausgestellten „Hindelooper Stube“. Das am Ijsselmeer gelegene Städtchen hatte seine Blütezeit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfahren und war vor allem durch dort lebenden Seefahrer, die der Handel nach Indien führte, zu Wohlstand gelangt. Seit der Weltausstellung 1878 in Paris war international das Interesse an der „Hindeloopen-Kultur“ gewachsen. Dort wurde ein begehbares Zimmer gezeigt, das für viel Aufsehen sorgte. Dieses war bereits ein Jahr zuvor in den Niederlanden selbst in einer Ausstellung in Leeuwarden mit großem Erfolg gezeigt worden. Um 1900 hatte sich die Hindelooper Sachkultur, in Räumen zusammengestellt, zum nationalen Symbol der Niederlande schlechthin entwickelt. Museen in Düsseldorf, Berlin und Nürnberg bemühten sich um entsprechende Einrichtungsgegenstände. Im GNM war man stolz, als südlichstes Museum eine „Hindelooper Stube“ präsentieren zu können, nicht zuletzt, um die Wohnkultur der „urdeutschen Westfriesen“ zu visualisieren. In ihren Sachzeugnissen glaubte die Wissenschaft, Reste germanischer Vorzeit entdecken zu können. Damals orientierte man sich beim Zeigen der sogenannten Volksaltertümer an eine Gliederung nach Stämmen und Regionen.
 

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Titel
Tisch
Allgemeine Bezeichnung
Möbel
Inventarnummer
Kl12366
Sammlung
Volkskunde-Spielzeug-Judaica
Anzahl der Teile
1
Herstellungsort
Hindeloopen
Herstellungsdatum
18. Jahrhundert
Maße
H. 69 cm; Dm. (Tischplatte) 84 cm
Klassifikation
Tisch & Möbel & Mobiliar
Material und Technik
Holz, bemalt
Standort
Dauerausstellung Volkskunde
Beschreibung
Klapptisch mit drei Beinen und zwölfeckiger Platte. Die Beine sind im oberen Abschnitt vierkantig, im unteren kegelförmig gedreht. Beine und Tischplatte sind auf beiden Seiten reich bemalt. Auf der oberen Fläche der Tischplatte ist in der Mitte ein großer bunter Papagei auf einem Kirschbaum sitzend gemalt, umgeben von einem breiten Blumenkranz. Auf der unteren Seite ist in der Mitte ein ovales Medaillon auf rotem Grund gemalt, das von bunten graziösen Blumenranken bedeckt ist, auf denen im Oberteil vier Frauen schaukeln. Über dem Medaillon sind Flügelputten aufgetragen; im Medaillon selbst ist eine biblische Szene mit acht Figuren dargestellt. Drei gedrechselte Tischplattenträger (?), jeder mit Engelsköpfen verziert und bemalt. Zwei Beine bilden einen Bock, an dem das dritte Bein aufklappbar befestigt ist.
Literatur
Otto Lauffer: Die Bauernstuben des Germanischen Museums III. Die Hindelooper Kammer. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1904, S. 3 – 37. Link zur Bibliothek
Bernward Deneke: Bauernmöbel. Ein Handbuch für Sammler. München 1969; S. 79., Abb. S. 230, Abb. 73-75.
Petra Krutisch: Aus aller Herren Länder. Weltausstellungen seit 1851 (Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum, 4). Nürnberg 2001, S. 73, Abb. 49.
Claudia Selheim: Zum musealen Umgang mit „Bauernstuben“. Wege der Sachkulturforschung. In: Jahrbuch für europäische Ethnologie, 2008, Nr. 3, S. 7 – 24, bes. S. 22.
Germanisches Nationalmuseum. Führer durch die Sammlungen. Hrsg. von G. Ulrich Großmann. Nürnberg 2012, S. 162.
Wege in die Moderne. Weltausstellungen, Medien und Musik im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Jutta Zander-Seidel, Roland Prügel. Ausst.Kat. GNM 2014. Nürnberg 2014, Kat.Nr. 177.
Vgl. Jet Pijzel-Dommisse: Het hollandse hronkpoppenhuis. Interieur en huishouden in de 17de en 18de eeuw. Amsterdam 2000, S. 287-288, Abb. 514.

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