Abbruch und musealer Aufbruch
Die Anregung zur Präsentation einer „niedersächsische[n] Bauernstube“ ging im Februar 1897 von einem Bauinspektor in Niedersachsen aus. Er schrieb an das Germanische Nationalmuseum, dass eine solche Stube bis zu diesem Zeitpunkt in allen Museen fehlte. Entsprechende Objekte würden immer seltener, und die Museen in der RegioMehr

Abbruch und musealer Aufbruch
Die Anregung zur Präsentation einer „niedersächsische[n] Bauernstube“ ging im Februar 1897 von einem Bauinspektor in Niedersachsen aus. Er schrieb an das Germanische Nationalmuseum, dass eine solche Stube bis zu diesem Zeitpunkt in allen Museen fehlte. Entsprechende Objekte würden immer seltener, und die Museen in der Region hätten kein Interesse daran. Das GNM erwarb daraufhin eine große Anzahl von Holzbauteilen von abgebrochenen Bauernhöfen aus der Gegend von Diepholz. Mit ihnen sollten die Haupträume eines niedersächsischen Bauernhauses modellhaft nachgebaut werden. Schließlich wurde sogar ein ganzes Haus gekauft, um weitere Objekte für die museale Präsentation zu gewinnen. Die Anschaulichkeit ging so weit, dass die beiden ausgewählten Räume, nämlich Flett und Döns, von den Museumsbesucher*innen betreten werden konnten – und nach wie vor können.


Flett
Das typische niederdeutsche Hallenhaus ist oft in Zweiständerbauweise errichtet. Unter einem großen stroh- oder schilfgedeckten Dach sind die ausgedehnten Wirtschaftsräume und die im Verhältnis eher beengten Wohnräume vereint. Solche landwirtschaftlichen Bauten waren charakteristisch für weite Teile Norddeutschlands. Eine große Diele diente als Dreschstelle, Durch- und Futtergang sowie als Festsaal, seitlich befanden sich die Viehställe.An die Diele grenzte die Flett an, die heute allgemein als Herdraum bezeichnet wird. Mit der offenen Feuerstelle war dieser Raum das Zentrum menschlichen Zusammenlebens Die wandfesten Einrichtungsteile, Balken, Türen und die Butzen der Flett im GNM stammen aus verschiedenen Gebäuden der Kreise Diepholz und Vechta und gehören dem späten 16. bis zum 18. Jahrhundert an. Möbel und Hausrat sind zum Teil jünger.
Der nicht originale hölzerne Funkenschirm über dem Herd hielt das Flugfeuer von der Balkendecke und dem leicht entflammbaren Dach fern. Er drängte zudem den Rauch durch die Türen der Abseiten aus dem Haus, denn einen Schornstein gab es hier nicht. Der Rauch konservierte Würste und Schinken, er schützte Getreide und Dach vor Ungeziefer, jedoch führte er oft zu Augenleiden. An dem schwenkbaren Wendebaum hängt ein höhenverstellbarer Kesselhaken, durch den der Abstand des Topfes zum Feuer und somit die Wärmezufuhr beim Kochen reguliert wurde.

Döns
Beiderseits des Herdraums befinden sich die Abseiten, links mit dem Essplatz, rechts mit dem Waschplatz einschließlich des Spülsteins. Die Rückwand des Herdraums dient als Brandmauer. Sie ist mit den in Norddeutschland weit verbreiteten niederländischen Fliesen geschmückt. Eine Tür führt vom Herdraum in die holzvertäfelte Döns. Diese Bezeichnung leitet sich von dem mittelalterlichen „durnitz“ ab, dem beheizbaren Raum auf Burgen. Die Döns wurde mit einem gusseisernen Hinterlader vom Flett aus beheizt und war folglich rauchfrei, eine wichtige Voraussetzung für die Ausdifferenzierung der Wohnbereiche. Ein wandfestes Bett, Butze oder Durk genannt, war sowohl vom Flett als auch von der Döns zugänglich und ermöglichte einen Überblick über beide Bereiche. Eine weitere Durk befindet sich an der Seitenwand der Döns. Die eingebauten Butzen stammen aus unterschiedlichen Häusern und wurden dem Ziel untergeordnet, im Museum eine idealtypische Situation zu vermitteln.

Weniger
Titel
Flett und Döns
Allgemeine Bezeichnung
Teile eines Niederdeutschen Hallenhauses
Inventarnummer
BA4232
Sammlung
Volkskunde-Spielzeug-Judaica
Anzahl der Teile
1
Standort
Dauerausstellung Volkskunde
Beschreibung
Flett und Döns
Literatur
Claudia Selheim: „Kunst ist doch nicht allein maßgebend“. Episoden aus der Einrichtung des niederdeutschen Hallenhauses. In: Silvia Glaser, Angelika Hofmann (Hg.): Menschen – Dinge – Provenienzen. Interessantes und Kurioses aus dem Germanischen Nationalmuseum. Festgabe für G. Ulrich Großmann (Kulturgeschichtliche Spaziergänge in Germanischen Nationalmuseum 20). Nürnberg 2018, S. 168–181.
Bernward Deneke: Eine Sammlung bäuerlicher Altertümer aus dem südlichen Oldenburg im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. In: Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 1973, S. 151–164.
Hugo Prejawa: Westhannover. In: Verbande Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine (Hrsg.): Das Bauernhaus im Deutschen Reiche und in seinen Grenzgebieten. Dresden 1905/06, S. 53–62 [Nachdruck Hannover 2000, S. 69–78]. Link zur Bibliothek
Otto Lauffer: Flett und Dönse aus der Gegend von Diepholz. In: Mitteilungen des Germanischen Nationalmuseums 1903, S. 19–55.
Hugo Prejawa: Erlaeuterungen zu dem im Germanischen Nationalmuseum ausgestellten Teil eines Niedersaechsischen Bauernhauses. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum 1903. Nürnberg 1903, S. 131–152. Link zur Bibliothek
Bernward Deneke: Volkskunst. Führer durch die volkskundlichen Sammlungen. München 1979, Kat.Nr. 75.
Pierre Cattelain: La Cuisine? un jeu d´Enfant! La collection de cuisines et de cuisinières miniantures de l'Écomusée du Viroin. Treignes 2019, S. 17, Fig. 23.

Sie finden das Objekt in der Dauerausstellung mit der Nummer 2: Dauerausstellung Volkskunde