Feuerbach monumental
… ein wildes Plänkeln, Streiten, Stürzen“ – so beschrieb Anselm Feuerbach 1860 seinen ersten Entwurf zum Thema der Amazonenschlacht. Ab 1870 arbeitete er drei Jahre lang an diesem monumentalen Gemälde. Riesige Bilder mit lebensgroßen Figuren waren damals beliebt: Man wollte sich beim Betrachten wie ein Augenzeuge vergangenWeiterlesen

Feuerbach monumental
… ein wildes Plänkeln, Streiten, Stürzen“ – so beschrieb Anselm Feuerbach 1860 seinen ersten Entwurf zum Thema der Amazonenschlacht. Ab 1870 arbeitete er drei Jahre lang an diesem monumentalen Gemälde. Riesige Bilder mit lebensgroßen Figuren waren damals beliebt: Man wollte sich beim Betrachten wie ein Augenzeuge vergangener Zeiten fühlen. Doch Feuerbach ging es um mehr als den Blick in die Vergangenheit. Er nutzte das mythologische Thema für die Darstellung zeitloser menschlicher Grunderfahrungen wie Kampf, Chaos und Schmerz.


Zeitlose Zitate
Die sterbende Amazonen-Königin Penthesilea liegt mittig im hellen Vordergrund und ist nur durch ihren reichen Schmuck zu erkennen. Wie mit einem Scheinwerfer lenkt Feuerbach den Blick schlaglichtartig auf Verwundete und Gefallene – keine Helden, sondern die Opfer des Krieges. Für die meisten Figuren griff der Maler auf Werke prominenter Vorbilder zurück, darunter solche von Michelangelo oder Rubens. Der ursprüngliche Kontext spielte bei diesen künstlerischen Anleihen keine Rolle. Es ist die zeitlose Stärke ihrer jeweiligen Ausdruckskraft, die Feuerbach in seiner Komposition vereinte. Das Zitieren berühmter künstlerischer Vorbilder war keineswegs verpönt. Es handelt sich um bewusste Anspielungen, durch die Feuerbach seine kunsthistorische Kenntnis bewies und gleichzeitig die Leistungen der großen Meister vor ihm ehrte.

Erschaffen und Zerstören
Zu seiner Amazonenschlacht malte Feuerbach ein „Zwillingsbild“, wie er es nannte. Das „Gastmahl des Platon“ existiert in zwei Fassungen, die heute in Karlsruhe und Berlin hängen. Anders als die „Schlacht“, ist es ein Sinnbild für die Versöhnung von Leidenschaft und Verstand. Gemeinsam repräsentieren die beiden Gemälde die Pole menschlichen Seins: das Konstruktive und das Destruktive. Feuerbachs Wunsch entsprechend sollten die Bilder einander gegenüber hängen, um den Betrachtenden dazwischen einen Spiegel ihrer selbst vorzuhalten, ganz nach dem antiken Prinzip: Erkenne dich selbst!
Von der zeitgenössischen Kritik unverstanden und verspottet, fand sich für das monumentale Gemälde kein Käufer. Feuerbachs Stiefmutter war es, die die „Amazonenschlacht“ der Stadt Nürnberg schenkte, wo der Maler seine letzten Sommer verbrachte – und wo er auch begraben liegt.

 

 

Weniger lesen
Titel
Die Amazonenschlacht (zweite Fassung)
Allgemeine Bezeichnung
Gemälde, Historiendarstellung
Inventarnummer
Gm2054
Proviso
Museen der Stadt Nürnberg
Sammlung
Kunst u. Kunsthandwerk 19. Jh.
Herstellungsdatum
1870-1873
Hersteller
Feuerbach, Anselm (1829-1880)
Feuerbach, Anselm; 12.09.1829 Speyer-04.01.1880 Venedig (Maler)
Maße
H. 405 cm; B. 693 cm
Material und Technik
Öl auf Leinwand
Standort
Dauerausstellung 19. Jahrhundert
Beschreibung
Innerhalb des spannungsvollen Bildgefüges mit seinen gegenläufigen Diagonalen, die sich in einer Ballung gestürzter Menschenleiber treffen, wirken einzelne Figuren und Figurengruppen bei näherem Hinsehen eigentümlich isoliert. Ihre Haltungen hat Feuerbach weniger aus einem vorgefaßten Handlungsverlauf heraus entwickelt. Vielmehr zitiert er mit ihnen berühmte Bildwerke, klassische Darstellungen des körperlichen Ausdrucks der Leidenschaften. So geht die den Vordergrund monumental beherrschende Rückenfigur auf Michelangelo zurück. Rechts neben ihr liegt, an ihrem reichen Schmuck erkennbar, die Amazonenkönigin Penthesilea. Zurücksinkend sucht sie halt an einem alten Krieger, der einen verwundeten Jüngling aus dem Schlachtfeld schleppt. Die Haltung der beiden Männer hat Feuerbach von der Gruppe "Achill und Penthesilea" des antiken Amazonenschlacht-Sarkophags der Vatikanischen Sammlungen abgeleitet. Eine Skizze Feuerbachs des Germanischen Nationalmuseums belegt, dass ihm diese Sarkophag-Darstellung als Vorbild diente (GNM, Inv. Nr. Hz 3657, ZR-Nr. 2733). Für die Gruppe links über dieser Szene, eines Kriegers, der mit einer eine Streitaxt schwingenden Amazone kämpft, ließ sich Feuerbach vermutlich durch ein Motiv der Dakerschlacht des Konstantinbogens in Rom anregen. Links gegenüber dieser Zweiergruppe erinnert eine mit hinter dem Kopf verschränktem Arm recht theatralisch zurücksinkende Amazone an Bildwerke wie die antike "Sterbende Niobide" (Museo Nationale Romano) oder Michelangelos "Sterbender Sklave" (Paris, Louvre), wogegen die links im Bildvordergrund rücklings stürzende Amazone an Feuerbachs Auseinandersetzung mit der Amazonenschlacht von Rubens (München, Neue Pinakothek) denken lässt. Den Anblick eines "wirklichen" Schlachtfeldes nimmt er zurück, indem er die landschaftliche Umgebung nur andeutet und mit der kargen und zerrissenen Küstenlandschaft einen Widerschein der desolaten Verwicklung der Figuren gibt.
Vermerk am Objekt
Beschriftung: AFeuerbach. R. 73 (unten rechts)

Literatur
Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775--1875 in der Königlichen Nationalgalerie Berlin. München 1906, Nr. 483. Link zur Bibliothek
Hamann, Richard: Die deutsche Kunst im 19. Jh. Leipzig/Berlin 1914, S. 228--229. Link zur Bibliothek
Ausst.Kat. der Anselm Feuerbach-Gedächtnisausstellung in der Städtischen Galerie Nürnberg. Nürnberg 1929, S. 24, Nr. 76. Link zur Bibliothek
Anselm Feuerbach. Gemälde und Zeichnungen. Ausst.Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Karlsruhe 1976, Kat.Nr. 62, Abb. 268. Link zur Bibliothek
Ecker, Jürgen: Anselm Feuerbach. Leben und Werk. Kritischer Katalog der Gemälde, Ölskizzen und Ölstudien. München 1991, S. 330--335. (Mit der umfassenden Literaturangaben und kunsthistorischen Ableitungen der einzelnen Figuren und Gruppen) Link zur Bibliothek
Peters, Ursula: Anselm Feuerbach. Die Amazonenschlacht. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 1996, S. 209--212.
Peters, Ursula: Historienspektakel und Klagegesang. Anselm Feuerbach in der Ausstellung "Facetten bürgerlicher Kunst und Kultur vom Klassizismus zur Epoche der Weltausstellungen". In: Monatsanzeiger des Germanischen Nationalmuseums 184, Juli 1996, S. 7--13, Abb. S.8--9. Link zur Bibliothek
Lehmann, Doris: Anselm Feuerbachs Amazonenschlacht. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, 2004, S. 143--156.
Feuerbach, Anselm. In: AKL Online, Dok-ID: _20005068 (04.05.2011).

Sie finden das Objekt in der Dauerausstellung mit der Nummer 1: Dauerausstellung 19. Jahrhundert

Amazonenschlacht
Battle of the Amazons
Amazonenschlacht, Vertiefung
Battle of the Amazons, 2nd Level