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Titel
Apostel Paulus am Schreibpult
Allgemeine Bezeichnung
Gemälde, Porträt
Inventarnummer
Gm392
Sammlung
Gemälde bis 1800
Anzahl der Teile
1
Hersteller
Rembrandt, Harmensz. van Rijn (1606-1669)
Herstellungsdatum
um 1629/30
Herstellungsort
Standort
Dauerausstellung Renaissance, Barock, Aufklärung
Maße
H. 47,2 cm; B. 38,6 cm
Material und Technik
Öl auf Eichenholz
Darstellung
Zur Hypothese, es handelt sich bei Gm 932 um ein Porträt von Rembrandts Vater s.o. - Nach einer mündlichen Mitteilung an A. Tacke von Johannes Willers (Nürnberg) handelt es sich nicht, wie bisher angenommen wurde, um zwei Schwerter, sondern um ein Schwert und eine Scheide eines anderen Schwertes: Zum einen ist ein Mandingo-Schwert ohne Scheide zu sehen, zum anderen, darunter, die Scheide einer Blankwaffe, die in Europa als "Malchus" bezeichnet wird. Willers äußerte die Überlegung, ob es sich deshalb hier nicht um Petrus handeln könnte, denn "Schwert plus Malchus" legt die Assoziation zu Petrus nahe. Dieser hatte ja bei der Gefangennahme Jesu mit seinem Schwert dem Knecht Malchus ein Ohr abgeschlagen (Jo 18, 10-11).
Zustandsbeschreibung
siehe Andreas Tacke: Die Gemälde des 17. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum. Bestandskatalog. Mainz 1995, S. 191.
Beziehung zu anderen Objekten
; Gm 392 und alle weiteren, unten genannten Darstellungen, sowie auch die Stuttgarter Paulus-Darstellung (s.u.) stehen (so schon Van Rijckevorsel 1932) im Zusammenhang mit dem Stich "S. Paulus" von Willem Swanenburgh (1581/82 - 1612) nach einer Vorlage von Abraham Bloemaert (1564 - 1651) (vgl. J. L. A. A. M. Rijckevorsel: Rembrandt en de traditie. Rotterdam 1932, S. 73-75). Ludwig Münz (1952) brachte den Stich "Chilo" (Hollstein 13) von Jaques de Gheyn III. (1596 - nach 1644) mit Gm 392 in Zusammenhang. Horst Gerson (1968) will in Gm 392 ein Porträt von Rembrandts Vater sehen und versucht dies mit der Zeichnung im Ashmolean Museum, Oxford (Benesch, I, Nr. 56) zu belegen.; Das Modell (für?) Gm 392 verwendete Rembrandt auch für eine Reihe von Gemälden in dem Zeitraum von 1626 bis 1631, aber auch in Zeichnungen und in der Graphik (s. Corpus of Rembrandt paintings, Bd. 1, 1982, S. 149, und den (Ausstellungskatalog) Rembrandt, 1991, S. 138, Anm. 1-3): An erster Stelle ist das Bild der Stuttgarter Staatsgalerie (Inv.Nr. 746) 'Paulus im Gefängnis' von 1627 zu nennen. Details sind wiederzufinden in dem Bild 'Tobias und Anna' von 1626 im Rijksmuseum in Amsterdam (Inv.Nr. A 4717), 'Simeon im Tempel' in der Hamburger Kunsthalle (Inv.Nr. 88) von 1627/28, 'Disputation zweier alter Männer' ('St. Peter und Paul'?) in der National Gallery of Victoria, Melbourne (Kat. 1961, Nr. 349/4), von 1628, 'Jeremiah' im Rijksmuseum, Amsterdam (Inv.Nr. A 3276), von 1630, 'Simeon im Tempel' im Mauritshuis, Den Haag (Kat. Nr. 145), von 1631, 'St. Peter im Gefängnis' von 1631 in belgischem Privatbesitz und 'Der Einsiedler' im Louvre, Paris (Inv.Nr. 2541 A) (zu den Gemälden s. Corpus of Rembrandt pantings, Bd. 1, 1982, Nr. A 3, Nr. A 12, Nr. A 13, Nr. A 28, Nr. A 34, Nr. A 36 und Nr. C 16, alle mit Abb.).; Ein thematischer Zusammenhang besteht zwischen der Radierung (Bartsch 149), welche in das Jahr 1629 datiert wird, und der Studie zur Graphik im Louvre, Paris (Benesch, I, Nr. 15 - vgl. Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt. First complete Edition in six volumes. Volumes I-II: The Leiden years. The early Amsterdam period. Bd. 1, London 1954). Beide Blätter - sie dienen dem Rembrand Research Project zur zusätzlichen Absicherung der Datierung von Gm 392 - zeigen ebenfalls den Hl. Paulus schreibend, umgeben von Büchern.; Die Bilder von Jan Lievens (1607 - 1674) in Bremen (Inv.Nr. 326-1911/10 und 235-2922) und von Lambert Jacobsz. (vor 1600 - vor 3. 10. 1637) im friesischen Leeuwarden reflektieren Bartsch 149.; Kopien: (1) 1930 in der Berliner Sammlung F. Beyer (Abb. 140) (s. Corpus of Rembrandt paintings, Bd. 1, 1982, S. 271; Foto im Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (Den Haag), Neg.Nr. L 53094, Bon. Nr. 4188); Öl auf Holz, 50 x 40 cm. - (2) In der Reduktion auf ein Brustbild eines alten Mannes des Museums der bildende Künste, Leipzig (Inv.Nr. 804), sieht das Rembrandt Research Project " a well preserved painting, to be considered a paraphrase of the head in Rembrandt's S. Paul in Nuremberg [...]. Possibly to be dated in or before 1633" (Corpus of Rembrandt paintings, Bd. 1, 1982, S. 593, Abb. der Kopie auf S. 594). Das Bild (Öl auf Holz, 20,4 x 16,7 cm) erhält einen Terminus ante quem durch den Stich (Hollstein, V, S. 236) von Hendrik Dethier (de Thier) (geb. 1610) aus dem Jahre 1633. - (3) Von dem Gemälde gibt es eine Kopie - Brustbild im Oval - in amerikanischem Privatbesitz, welche Kurt Bauch (1960) als "ein mindestens erheblich besseres Exemplar" beschreibt (K. Bauch, 1950, S. 261, Anm. 130 (weist das Bild mit englischem Kunsthandel nach), Abb. 153 (Nachweis "Kunsthandel, USA"); siehe auch Corpus of Rembrandt paintings, Bd. 1, 1982, S. 597).;
Beschreibung
Der in Gedanken versunkene, beim Schreiben kurz innehaltende Apostel Paulus ist ein bemerkenswertes Gemälde im Frühwerk Rembrandts. Es entstand im Kontext einer Reihe von Studien, in denen sich Rembrandt mit der Darstellung greiser, bärtiger Männer beschäftigte, die früher als Bildnisse seines Vaters galten. Wie ein Gebirge schiebt sich der dunkle Schreibtisch mit den schräg darauf aufgestellten Büchern vor die Figur, schafft räumliche Distanz und verstärkt die Konzentration auf das hell beleuchtete Gesicht und die auf dem Tisch vor dem Buch aufgestützte Linke.
Die Farbpalette bleibt auf Braun- und Gelbtöne beschränkt und verleiht dem Gemälde eine höhlenartig düstere Stimmung. Durch den virtuosen Einsatz einer außerhalb des Bildausschnittes und einer durch das aufgeschlagene Buch verdeckten Lichtquelle schuf Rembrandt ein Höchstmaß an räumlicher Wirkung. Das von links oben auf den Kopf gerichtete inspirative Licht und das gleichsam aus sich heraus leuchtende Buch vermitteln eine anschauliche Vorstellung von der in den Briefen des Paulus sich offenbarenden geistigen Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Christentums. Die gesamte Kraft des alten Mannes, der das Schwert seiner früheren Christenverfolgungen – hier in einer von Rembrandt bevorzugten orientalischen Form – sprichwörtlich hinter sich an den Nagel gehängt hat, liegt nun in seinen Schriften und in der väterlichen Sorge um die von ihm begründeten christlichen Gemeinden. Das Gemälde dürfte damit den Gegensatz zwischen der „vita activa“ und „vita contemplativa“ zum Ausdruck bringen, wobei dem besonnenen Nachdenken des Apostels auch resignative Züge innezuwohnen scheinen. Damit scheint Rembrandt die seit der Renaissance in der Kunst häufig thematisierte Temperamentenlehre bemüht und Paulus als Melancholiker auf dem schmalen Grat zwischen genialer Leistung und depressiver Passivität aufgefasst zu haben.
Das Gemälde, das noch zu den Frühwerken der Leidener Zeit zählt, ist ein eindringliches Dokument für Rembrandts psychologische Durchdringung seiner Porträts und Bildthemen. Der lebhafte Duktus der pastosen Malerei, die nuancierten Farbabstufungen und die unterschiedliche Durcharbeitung der einzelnen Bildpartien tragen wesentlich zur Lebendigkeit und Unmittelbarkeit des intendierten Gefühlszustands bei.
Vitrinentext
In Lichtführung, Farbabstufungen und pastoser Malweise äußert sich Rembrandts frühe Meisterschaft. Dies gilt auch für die psychologische Durchdringung der Figur: Rembrandt zeigt den um das Wohl seiner Gemeinden besorgten Apostel in Gedanken beim Abfassen seiner Briefe.
The Apostle Paul in Contemplation. Oil on oak panel. Rembrandt's early mastery is seen in the handling of light, the gradation of color and in his pastose painting style. This also applies to the psychological intensity of the figure: Rembrandt's apostle, concerned for the welfare of his congregations, is depicted deep in thought.
The Apostle Paul in Contemplation. Oil on oak panel. Rembrandt's early mastery is seen in the handling of light, the gradation of color and in his pastose painting style. This also applies to the psychological intensity of the figure: Rembrandt's apostle, concerned for the welfare of his congregations, is depicted deep in thought.
Literatur
(Auktionskatalog) Auction von drei Oelgemälden welche aus dem Besitz des Fürstgischofs von Würzburg und Bamberg, Herzog in Franken G. Carl Freiherrn von Fechenbach herrühren (...) am 19. 9. 1882 durch Rudolph Lepke (Katalog Nr. 393) Berlin, S. 9, Nr. C (ein Greis) mit Abb.
Bode, Wilhelm: Studien zur Geschichte der Holländischen Malerei. Braunschweig 1883, S. 366, 643.
Katalog der Ausstellung von Werken der Niederländischen Kunst des Siebzehnten Jahrhunderts (...) in Berliner Privatbesitz veranstaltet von der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft in Berlin in den Räumen der Königlichen Akademie. Berlin 1890, Nr. 222
Bode, Wilhelm: Ausstellung von Werken der Niederländischen Kunst (...) Teil 2: Die Gemälde aus Berliner Privatbesitz. In: Jahrbuch der Königlich Preussischen Kunstsammlungen, 11, 1890, S. 199--241, bes. S. 207.
[Auktions-]Katalog der reichhaltigen und ausgewählten Freiherrlich von Bodeck-Ellgau'schen Gemälde-Galerie auf Schloss Heidenfeld in Bayern (...). Versteigerung zu Köln erbtheilungshalber den 10. November 1890, S. 15, Nr. 70 mit Abb.
Bode, Wilhelm: Rembrandt's Gemälde des Paulus im Nachdenken im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg. In: Zeitschrift für bildende Kunst, N.F. 14, 1903, S. 48 mit einer Radierung von L. Kühn.
Rijckevorsel, J. L. A. A. M.: Rembrandt en de traditie. Rotterdam 1932, S. 73--75.
Münz, Ludwig: Rembrandt's etchings (...). Bd. 1, London 1952, S. 4 (Abhängigkeit zum Stich von de Gheyn), Abb. 5 (de Gheyn) und Abb. 6 (Nürnberg).
Rembrandt. Der Meister und seine Werkstatt. Gemälde. Ausst. der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin, Gemäldegalerie; Rijksmuseum Amsterdam, The National Gallery London. Hrsg. von Christopher Brown--Jan Kelch--Pieter van Thiel. München--Paris--London 1991, S. 31 und Nr. 5, S. 136--138.
A Corpus of Rembrandt-Paintings. Foundation Rembrandt Research Project. Bearbeitet von Josua Bruyn--Bob Haak--Simon H. Levie--Pieter J.J. van Thiel--Ernst van de Wetering, Bd. 1: 1625--1631. Den Haag--Boston--London 1982, S. 46 mit Abb. 21, S. 149, S. 266--271, Nr. A 26 mit Abb. S. 593--597 Nr. C 25 (Bild in Leipzig).
Gerson, Horst: Rembrandt, Paintings. Amsterdam 1968, S. 188, Nr. 23 (the Apostel Paul at his desk, Rembrandt's father), S. 89, Abb. 23, vgl. S. 188, Abb. b (Zeichung Oxford).
A Corpus of Rembrandt-Paintings. Foundation Rembrandt Research Project. Bearbeitet von Josua Bruyn--Bob Haak--Simon H. Levie--Pieter J.J. van Thiel--Ernst van de Wetering, 4 Bde. Den Haag u.a. 1982, 1986, 1989, 2005, Bd. 1, S. 46, 149, und Nr. A26, S. 266--271.
Tümpel, Christian: Rembrandt. Mythos und Methode. Königstein i. T. 1986, Nr. 74, S. 398.
Tacke, Andreas: Die Gemälde des 17. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum. Bestandskatalog. Mainz 1995, Nr. 92, S. 191--194 mit Abb. und mit weiterer, älterer Literatur.
Der junge Rembrandt. Rätsel um seine Anfänge. Ausst. der Staatlichen Museen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Museum Het Rembrandthuis, Amsterdam. Bearbeitet von Ernst van de Wetering--Bernhard Schnackenburg. Wolfratshausen 2001, Nr. 32, S. 222--225.
Faszination Meisterwerk. Dürer, Rembrandt, Riemenschneider. Ausst.Kat. des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Nürnberg 2004, S. 72--75.
Rembrandt & Caravaggio. Ausst. im Rijksmuseum Amsterdam und Van Gogh Museum Amsterdam. Bearbeitet von Duncan Bull--Taco Dibbits. Zwolle 2006, S. 50 und Kat. Nr. 8.
Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder. (Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Band 3) Nürnberg 2010, S. 292--293, 448, Abb. 255.
Ausst.Kat. Rembrandt's First Masterpieces, hrsg. von Per Rumberg und Holm Bevers). The Morgan Library & Museum, New York, 2016, S. 40-41, Fig. 37.
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