Mahnen und Verlocken
Die Liebesgöttin Venus und Amor, der oft als ihr Sohn gilt, stehen nackt in einer Landschaft. Der kleine Amor hat eine Honigwabe aus einem Bienenstock in einem Baumstamm gestohlen. Nun greifen ihn die Insekten an. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wendet er sich an seine Mutter, die tadelnd den ZeiMehr

Mahnen und Verlocken
Die Liebesgöttin Venus und Amor, der oft als ihr Sohn gilt, stehen nackt in einer Landschaft. Der kleine Amor hat eine Honigwabe aus einem Bienenstock in einem Baumstamm gestohlen. Nun greifen ihn die Insekten an. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wendet er sich an seine Mutter, die tadelnd den Zeigefinger erhoben hat. Die lateinische Inschrift oben rechts erklärt die Bedeutung des Bildes: „Dass Amor, während er den Honig aus der Höhle stahl von den Bienen in den Finger gestochen wurde. So verletzt auch uns die kurze, vergängliche Wollust, die wir begehren. Sie ist mit herben Schmerzen verbunden.“ Das Gemälde warnt vor den Folgen der Begierde. Die Mutter erklärt ihrem Sohn, dass er selbst schuld an den schmerzhaften Bienenstichen sei. Normalerweise sei er es, der mit seinen Liebespfeilen Begehren weckt und damit neben Liebe auch Leid stiftet. Die moralisierende Aussage des Bildes dient aber, wie so oft, auch als Deckmäntelchen der Aktdarstellung. Beim Betrachten der Venus konnte man ihre visuellen Reize genießen und gleichzeitig durch die enthaltene Mahnung Distanz aufbauen.

Körperideale
Cranach gibt den nackten Körper der Venus in voller Bildlänge wieder. Ihr transparenter Schleier verhüllt ihren Körper überhaupt nicht – man könnte sogar sagen, dass er ihre Nacktheit noch betont. Dasselbe gilt für den Goldschmuck an ihrem Hals und Armgelenk. Aktgemälde waren ein beliebtes Thema in der Malerei der Dürerzeit. Die mädchenhafte Körperform von Cranachs Venus ist nicht aus dem Studium der Natur oder von Skulpturen der Antike abgeleitet, wie es beispielsweise Dürer tat. Stattdessen kann man Cranachs Frauenfiguren eher eine Nähe zu den überlängten Körpern des vorangegangenen Jahrhunderts nachsagen. Gleichzeitig klingt hier schon das elegante, artifizielle Körperbild des beginnenden Manierismus an.

Die Cranach-Werkstatt
Lucas Cranach der Ältere arbeitete in einem humanistischen Umfeld, in dem mythologische Bildthemen und erotische Darstellungen beliebt waren. Er war von 1505 an Hofmaler bei Kurfürst Friedrich dem Weisen in Sachsen und wurde später auch von dessen Nachfolgern beschäftigt. In Wittenberg betrieb er eine äußerst erfolgreiche Werkstatt, die nach und nach von seinem Sohn, Lucas Cranach dem Jüngeren, übernommen wurde. Unter den vielen Mitarbeitern der Werkstatt herrschte eine rege Arbeitsteilung, weswegen sich mitunter nicht einfach bestimmen lässt, wer an einem bestimmten Werk beteiligt war. Schätzungen gehen davon aus, dass dort 3.000 bis 5.000 Gemälde produziert wurden, von denen heute noch ca. 1.000 existieren. Von der Venus mit Amor als Honigdieb gibt es ungefähr 20 Ausführungen, von denen keine zwei identisch sind. Im Germanischen Nationalmuseum existiert noch ein weiteres Bild Cranachs mit demselben Thema (Gm1097).

Weniger
Titel
Venus mit Amor als Honigdieb
Allgemeine Bezeichnung
Gemälde, Tafelgemälde
Inventarnummer
Gm213
Sammlung
Gemälde bis 1800
Anzahl der Teile
1
Herstellungsort
Wittenberg
Herstellungsdatum
um 1537
Hersteller
Cranach, Lucas d. Ä. (1472-1553)
Maße
H. 50,1 cm; B. 34,4 cm
Material und Technik
Malerei auf Lindenholz (Tilia sp.)
Standort
Dauerausstellung Renaissance, Barock, Aufklärung
Kommt in Guide vor
303717
Beschreibung
Amor, der Liebesgott, hält eine Bienenwabe in der Hand. Er beklagt sich bei seiner Mutter Venus, der Göttin der Schönheit und Liebe, dass ihn die Bienen stechen. Sie belehrt ihn, dass seine Liebespfeile nicht minder verletzen. Ganze Figuren vor einem Buchenstamm und dichtem Gebüsch, Blick auf den blauen Himmel.
Vermerk am Objekt
Beschriftung: mit Bleistift "4,IP,35/185, 22", mit Kreide "2/5 (.), 29"; Klebezettel (Druck) "C.M.A.", (Schreibmaschine) "Tr 5238/7"; Karton "Nr.69 / Gm 213"; Ausst. L'Europe Humaniste, Paris. (Auf der Rahmenrückseite)

Vitrinentext
Die Liebesgöttin mit Amor ist eines der populärsten Sujets der Bildermanufaktur Cranachs. Venus wird als Kindfrau mit zarter Erotik dargestellt. Der Liebesgott Amor wird von Bienen gestochen. Das Motiv warnt vor den schmerzhaften Folgen ungezügelter Wollust.

Venus with Cupid as a Honey Thief. Painting on limewood. The goddess of love with Cupid is one of the most popular subjects of the Cranach workshop. Venus is depicted with tender eroticism as a Child Woman. Cupid, the god of love, is being stung by bees. The subject warns of the painful consequences of unbridled lust.

Literatur
Löcher, Kurt: Die Gemälde des 16. Jahrhunderts. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Stuttgart 1997, S. 154--155 mit älterer Literatur.
Löcher, Kurt: Die deutschen Gemälde des 16. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum. Nachträge zum Bestandskatalog. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 2000. Nürnberg 2000, S. 108.
Hinz, Berthold: Venus im Norden. In: Venus: Bilder einer Göttin. Ausst. Alte Pinakothek. Bearbeitet von Claudia Denk. München 2001, S. 32--49. Link zur Bibliothek
Faszination Meisterwerk. Dürer, Rembrandt, Riemenschneider. Ausst.Kat. des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Nürnberg 2004, S. 69--71. Link zur Bibliothek
Renaissance. Barock. Aufklärung. Kunst und Kultur vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. von Daniel Hess und Dagmar Hirschfelder. (Die Schausammlungen des Germanischen Nationalmuseums, Band 3) Nürnberg 2010, S. 54, 96, 413, Abb. 64. Link zur Bibliothek

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