Von der Rennbahn ins Kinderzimmer
Modern, ja fast futuristisch erscheint das Automobil-Spielzeug, das August Geigenberger 1903 entworfen hat (Entwurfszeichnung LGA9847/3). Es ist stromlinienförmig und auf einfache Formen und Farben reduziert. Dennoch entbehrt es nicht eines gewissen Humors, beispielsweiseWeiterlesen

Von der Rennbahn ins Kinderzimmer
Modern, ja fast futuristisch erscheint das Automobil-Spielzeug, das August Geigenberger 1903 entworfen hat (Entwurfszeichnung LGA9847/3). Es ist stromlinienförmig und auf einfache Formen und Farben reduziert. Dennoch entbehrt es nicht eines gewissen Humors, beispielsweise durch die überlangen Arme des Fahrers. Um 1900 waren Automobile noch kein alltäglicher Anblick, und viele Menschen standen ihnen skeptisch gegenüber. Seit 1895 gab es allerdings in Frankreich schon erste Autorennen. Um 1900 fuhren dann bereits raketenförmige Spezialanfertigungen bei diesen Rennen mit, deren Fotos vielleicht sogar Geigenberger zu seinem Entwurf inspirierten.


Karikatur und Kinderbuch
Der Künstler betrieb zusammen mit seinem Bruder Otto in Wasserburg am Inn eine kunstgewerbliche Werkstatt. Vorher lebte er zu Ausbildungszwecken mehrere Jahre lang in München, wo er die Königliche Kunstgewerbeschule besuchte. Hier erhielt er entscheidende künstlerische Impulse im Sinne des Jugendstils. Seine karikaturesken Illustrationen verkaufte er unter anderem an die Zeitschrift Jugend. 1902 schuf er ein Kinderbuch mit dem Titel „Der tapfere Ingobert“.

Spielzeug für eine neue Zeit
Das Bayerische Gewerbemuseum Nürnberg rief 1903 einen Wettbewerb für neuartiges Holzspielzeug aus. Die Lebensreformbewegung, die vor allem in bildungsbürgerlichen Haushalten Anklang fand, forderte naturnahes Spielzeug, dessen einfache Formen der kindlichen Fantasie Raum geben sollten. In diesem Sinne muss man auch Geigenbergers hochgelobte Beiträge zum Wettbewerb verstehen. Die vorliegende Ausführung des Automobils stammt vom Nürnberger Holzbildhauer Jean Stöttner. Um das lokale Handwerk zu fördern, verbreitete das Kultusministerium 1904 die prämierten Entwürfe aus dem Wettbewerb zum Nachbau in Berchtesgaden, Oberammergau und Partenkirchen. Jedoch blieb die handwerkliche Herstellung von Reformspielzeug eine Randerscheinung, da sie nicht mit der industriellen Massenproduktion mithalten konnte.

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Titel
Automobil
Allgemeine Bezeichnung
Spielzeug-Automobil
Inventarnummer
LGA8760
Proviso
Leihgabe des Freistaats Bayern
Sammlung
Gewerbemuseum
Anzahl der Teile
1
Herstellungsort
Wasserburg am Inn (Deutschland)
Herstellungsdatum
1903
Maße
L. 27,8 cm; B.(max.) 8,3 cm
Material und Technik
Holz, farbig gefaßt (Lack)
Standort
Dauerausstellung Gewerbemuseum
Beschreibung
Holzspielzeug, das stark vom abstrakten Jugendstil beeinflusst ist. Schnittige Form des Autos und stark linear geprägte Gestalt des Fahrers. Der Entwurf zum Fahrzeug (Inv. LGA 9847/3) stammt von August Geigenberger (1875-1909). Er wurde 1903 für den vom Bayerischen Gewerbemuseum ausgerufenen Wettbewerb für "neues" Holzspielzeug von dem in Wasserburg/Inn beheimateten Geigenberger eingereicht.
Literatur
Silvia Glaser: 150 Jahre Bayerisches Gewerbemuseum Nürnberg. Nürnberg 2019, Kat. 60. Link zur Bibliothek
Urs Latus: Kunststücke. Holzspielzeugdesign vor 1914. Nürnberg 1998. Link zur Bibliothek

Sie finden das Objekt in der Dauerausstellung mit der Nummer 14: Dauerausstellung Gewerbemuseum