Die Kunst der Minne
Eine Gartenlandschaft wird zur Spielwiese einer ausgelassenen, in Gruppen arrangierten Hofgesellschaft. Dass das bunte Treiben einen erotischen Hintergrund hat, lässt schon ihre Aufmachung erkennen: Die figurbetont-modische Kleidung der jungen Männer ist ebenso aufreizend wie die tiefen Kleiderdekolletés der Hofdamen. Ihre Spiele folgen den Gesetzen der Minne. Darunter versteht man das an den Höfen des Hochmittelalters zur Kunstform entwickelte Liebeswerben um eine begehrte Frau.


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Die Kunst der Minne
Eine Gartenlandschaft wird zur Spielwiese einer ausgelassenen, in Gruppen arrangierten Hofgesellschaft. Dass das bunte Treiben einen erotischen Hintergrund hat, lässt schon ihre Aufmachung erkennen: Die figurbetont-modische Kleidung der jungen Männer ist ebenso aufreizend wie die tiefen Kleiderdekolletés der Hofdamen. Ihre Spiele folgen den Gesetzen der Minne. Darunter versteht man das an den Höfen des Hochmittelalters zur Kunstform entwickelte Liebeswerben um eine begehrte Frau.


Spielarten der Liebe
Dargestellt sind einige heute noch bekannte Spiele, wie Fangen oder Blindekuh. Aber auch längst vergessene Spiele sind zu sehen: Die linke obere Gruppe vergnügt sich beim „Main Chaude“. Hierbei muss ein Mann mit geschlossenen Augen erraten, wer ihm die Hand auf das Gesäß legt. Direkt darunter treten ein Höfling und eine Edeldame zur sogenannten „Quintaine“ an. In dieser Abwandlung des ritterlichen Lanzenstechens versuchen sich die Gegner durch einen Stoß mit dem Fuß zu Fall zu bringen. Beobachtet wird das heiter-frivole Geschicklichkeitsspiel von der Minnekönigin höchstpersönlich. Ganz rechts macht der Minnestrick einen Höfling zum gefesselten Liebesopfer. Nur die verehrte Dame kann ihn befreien. Im Zentrum des Bildteppichs steht die Minneburg. Sie ist das Sinnbild für die begehrte Frau, die es – wie eine Festung – durch die Minne zu erobern gilt.


Ein höfisches Thema?
Ob der Teppich für den privaten oder öffentlichen Raum hergestellt wurde, ist nicht überliefert. Zwei Wappen am rechten Rand verweisen auf die angesehene Tuchhändlerfamilie Diel in Speyer, die diesen Teppich offenbar in Auftrag gegeben hatte. Als Ratgeber der Pfälzer Kurfürsten war ihr der repräsentative Gebrauch von Wandteppichen am Heidelberger Hof geläufig. Großformatige Wandteppiche im häuslichen Bereich waren bis ins 16. Jahrhundert überwiegend dem Adel und der städtischen Oberschicht vorbehalten. Dass ein bürgerlicher Auftraggeber sich ausgerechnet für ein höfisches Motiv wie die Minne entscheidet, ist bemerkenswert. Offenbar wollte die Familie Diel als reiche Tuchhändler durch die Wahl des Themas auch ihr Standesbewusstsein zum Ausdruck bringen.

 

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Die Gegenwart des biblischen Geschehens
Das Bild vermittelt einen lebendigen Eindruck von einer Bürgerstube des 15. Jahrhunderts. Der Münchner Stadtmaler Gabriel Mälesskircher versetzt die Erzählung aus dem Neuen Testament in die spätmittelalterliche Gegenwart. Vertraute Dinge des täglichen Lebens sollten Gläubigen das biblische Geschehen näherbringen.
Ursprünglich gehörte die Tafel vermutlich zu einem Marienretabel in der Klosterkirche Tegernsee. Weiterlesen

Die Gegenwart des biblischen Geschehens
Das Bild vermittelt einen lebendigen Eindruck von einer Bürgerstube des 15. Jahrhunderts. Der Münchner Stadtmaler Gabriel Mälesskircher versetzt die Erzählung aus dem Neuen Testament in die spätmittelalterliche Gegenwart. Vertraute Dinge des täglichen Lebens sollten Gläubigen das biblische Geschehen näherbringen.
Ursprünglich gehörte die Tafel vermutlich zu einem Marienretabel in der Klosterkirche Tegernsee. Sie zeigt Christus bei einem Gastmahl im Haus des Pharisäers Simon. Während des Essens tritt die Sünderin Maria Magdalena vor Christus, um ihn um Vergebung zu bitten. Als Geste ihrer Reue kniet sie vor ihm, trocknet mit ihren Haaren seine von ihren Tränen benetzten Füße und salbt sie (Lk 7, 36-50).

Zu Gast in gutem Hause
Der Raum, in dem sich die Szene abspielt, ist eine Bilderfindung des Malers. Dennoch enthält er viele Alltagsgegenstände eines wohlhabenden Haushalts. Das der Größe nach auf dem Wandbord aufgereihte Geschirr aus Messing war kostbar und diente gleichzeitig als Raumschmuck. Gleiches gilt für die Glasflaschen und Zinnkannen, die zum Trocknen mit geöffneten Deckeln verkehrt herum aufgehängt sind. Einen besonderen Luxus bot der danebenstehende Waschkasten. Bevor es fließendes Leitungswasser gab, diente er als Wassertank und -spender zugleich. Vor dem Essen konnte man sich mit dem aus dem Hahn laufenden Wasser die Hände waschen. Wahre Multifunktionsmöbel sind die Wendebänke um den Tisch. Ihre Rückenlehnen ließen sich umklappen, sodass man sich nach dem Essen von der anderen Seite auf sie setzen konnte – beispielsweise um näher an den warmen Ofen zu rücken.

Mittelalterliche Tischkultur
Den Mittelpunkt des Gastmahls bildet ein zubereiteter Fasan – auch damals schon eine seltene Delikatesse. Dazu wird weißes Brot gereicht, das vor allem in wohlhabenden Kreisen beliebt war. Als Besteck liegt auf dem weißen Tischtuch nur ein Messer. Gabeln gab es im Mittelalter noch nicht. Außerdem war es üblich, dass jeder sein eigenes Besteck mitbrachte. Bei Einladungen wurden – wie im Bild – nur Teller und Becher aufgedeckt.
Ein Detail, das ebenfalls auffällt, ist der Fächer aus Pfauenfedern, den ein Diener hinter dem Tisch hochhält. Es handelt sich um ein sogenanntes Flabellum, einen Gegenstand aus dem kirchlichen Bereich. Er diente während der Messe oder bei Prozessionen der Kühlung und der Fliegenabwehr. Dass sich ein solches liturgisches Gerät in eine Bürgerstube verirrt, ist wohl als Hinweis auf den außergewöhnlichen Gast zu verstehen.
 

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Göttlicher Geleitschutz
Die Figurengruppe verbildlicht die Geschichte von Tobias und dem Engel, die in den apokryphen Schriften des Alten Testaments überliefert ist. Tobias begibt sich darin auf eine gefahrvolle Reise, um das in der Ferne von seinem Vater hinterlegte Vermögen zurückzuholen. Auf dessen Rat hin engagiert er einen Reisebegleiter als Geleitschutz. Er ahnt nicht, dass es sich dabei um den Erzengel Raphael handelt, der ihm unerkannt auf der Reise zur Seite steht. Unter anderem hilft er Tobias, im Fluss Tigris einen gefährlicWeiterlesen

Göttlicher Geleitschutz
Die Figurengruppe verbildlicht die Geschichte von Tobias und dem Engel, die in den apokryphen Schriften des Alten Testaments überliefert ist. Tobias begibt sich darin auf eine gefahrvolle Reise, um das in der Ferne von seinem Vater hinterlegte Vermögen zurückzuholen. Auf dessen Rat hin engagiert er einen Reisebegleiter als Geleitschutz. Er ahnt nicht, dass es sich dabei um den Erzengel Raphael handelt, der ihm unerkannt auf der Reise zur Seite steht. Unter anderem hilft er Tobias, im Fluss Tigris einen gefährlichen Fisch zu fangen. Dessen Gallenblase, die er von seiner Reise mit nach Hause bringt, hat heilkräftige Wirkung und gibt seinem erblindeten Vater das Augenlicht zurück.
Wie für Tobias ist Raphael auch für Betrachter der Figurengruppe nicht als Engel erkennbar, Veit Stoß hat ihn ohne Flügel dargestellt. Andere Details, die den erzählerischen Zusammenhang der Geschichte ursprünglich verbildlichten, gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren. Dazu gehört der Fisch, den Tobias an einer Schnur in seiner linken Hand bei sich trug, und die Dose mit der Fischgalle, die Raphael auf der erhobenen Hand präsentierte.

Ein spätes Meisterwerk
Veit Stoß hat wie bei vielen seiner Werke auf eine farbige Fassung des Holzes verzichtet. Doch obwohl man die Struktur des Lindenholzes erkennen kann, ist die Illusion der vom Wind gebauschten Stoffe beinahe perfekt. Mit seiner Schnitzkunst gewinnt er dem Material eine Leichtigkeit ab, die die ganze Meisterschaft des damals fast 70jährigen Künstlers offenbart. Als „miracolo di legno“, ein „Wunder aus Holz“, rühmte später der italienische Kunstschriftsteller Giorgio Vasari ein vergleichbares Werk von Veit Stoß in Florenz.

Export eines Bildthemas
Die 1516 geschaffene Figurengruppe war als Stiftung für die Nürnberger Dominikanerkirche bestimmt. Auftraggeber war der der aus Florenz stammende Fernhandelskaufmann Raffaelo Torrigiani, der sich mehrmals in der Reichsstadt aufgehalten hatte. Das in seiner Heimat verbreitete Bildthema war in der Kunst nördlich der Alpen weitgehend unbekannt. Bei der Wahl mag eine Rolle gespielt haben, dass es sich beim Erzengel Raphael um seinen Namenspatron handelt. Vor allem aber wollte der Kaufmann sich wohl – wie der junge Tobias – bei seinen weiten und gefährlichen Handelsreisen unter den Schutz einer göttlichen Macht stellen.
 

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Fingerübungen
Studienblätter wie dieses waren nie für das große Publikum bestimmt. Es waren Übungen, Überlegungen auf dem Papier, mit denen sich Caspar David Friedrich seinem Motiv annäherte. Auf diesem Blatt zeichnete er Stämme und Wurzeln von Buchen in verschiedenen Variationen. Er probte die Wirkung einzelner Striche und Schraffuren und arbeitete mit lasierenden Schichten von Wasserfarbe Licht- und Schatteneffekte heraus. Farbmuster am Rand zeigen, wie er verschiedene Mischungen aus warmen Grau- und Grüntönen zuerst ausprobierte. Immer wieder veWeiterlesen

Fingerübungen
Studienblätter wie dieses waren nie für das große Publikum bestimmt. Es waren Übungen, Überlegungen auf dem Papier, mit denen sich Caspar David Friedrich seinem Motiv annäherte. Auf diesem Blatt zeichnete er Stämme und Wurzeln von Buchen in verschiedenen Variationen. Er probte die Wirkung einzelner Striche und Schraffuren und arbeitete mit lasierenden Schichten von Wasserfarbe Licht- und Schatteneffekte heraus. Farbmuster am Rand zeigen, wie er verschiedene Mischungen aus warmen Grau- und Grüntönen zuerst ausprobierte. Immer wieder versah er seine Zeichnung mit kurzen Notizen, schrieb Beobachtungen auf, markierte mehrfach die Horizontlinie, die gleichzeitig seine eigene Augenhöhe beim Zeichnen wiedergab.

Die Natur als Lehrmeisterin
Dass Künstler ihre Ateliers verließen und ihre Motive im Freien suchten, war neu. Vor allem an der Dresdner Akademie riefen die Professoren ihre Schüler dazu auf. Einer der Protagonisten dieser neuen Bewegung war Adrian Zingg. Der gebürtige Schweizer hatte die künstlerische Naturaneignung in Paris bei Johann Georg Wille kennengelernt, bevor er nach Dresden berufen wurde.
Als Caspar David Friedrich sich 1798 dort niederließ, hatte er seine Ausbildung an der Kunstakademie in Kopenhagen bereits abgeschlossen. Wie damals üblich hatte er vor allem nach Gipsabgüssen antiker Statuen und später nach dem lebenden Modell gezeichnet. Den entscheidenden Impuls, sich intensiv bei Wanderungen und Spaziergängen mit der Natur zu befassen und sie minutiös in Zeichnungen festzuhalten, erhielt er erst im Umkreis der Dresdner Akademie.


Naturdarstellung und Naturerfahrung
Kaum ein Medium ist dafür so gut geeignet wie die Zeichnung. Sie verleitet zum genauen Hinschauen; die intensive Vertiefung in die vielfältigen Erscheinungsformen der Blätter, Gräser und Wurzeln wiederum führt zu einer intensiven Naturerfahrung. Zudem hatten Skizzenbuch, Feder, Tusche, Bleistift und Wasserfarbe in jedem Rucksack Platz. Es war die Zeit, in der Jacques Louis Conté den modernen Bleistift mit verschiedenen Härtegraden entwickelte. Er bot völlig neuartige Ausdrucksformen der Linie.
Caspar David Friedrich unternahm zahllose Wanderungen in der näheren Umgebung von Dresden. Später folgten ausgedehnte Reisen nach Mecklenburg-Vorpommern, vor allem nach Rügen, in den Harz und das Riesengebirge. In seinem Nachlass finden sich rund 1000 Zeichnungen, die meisten von ihnen Landschafts- und Naturdarstellungen. Heute gilt Caspar David Friedrich als einer der größten Meister der romantischen Zeichnung.

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Ein selbstbewusster Kavalier
Im frontalen Gegenüber malte sich Rembrandt mit einer Halsberge (einem „Panzerkragen“ aus Metall) und einer Liebeslocke. Er zeigt sich damit im Kostüm des höfischen Kavaliers. Bei der Liebeslocke, die an Rembrandts verschatteter Kopfseite auf die Schulter herabfällt, handelte es sich um einen Trend der aristokratischen Männermode. Rembrandts Abstammung war jedoch keineswegs adelig. Mit der Kostümierung und dem direkten Blick aus dem Bild zum Betrachter markiert das Nürnberger Bildnis einen Wendepunkt in Rembrandts SelbsWeiterlesen

Ein selbstbewusster Kavalier
Im frontalen Gegenüber malte sich Rembrandt mit einer Halsberge (einem „Panzerkragen“ aus Metall) und einer Liebeslocke. Er zeigt sich damit im Kostüm des höfischen Kavaliers. Bei der Liebeslocke, die an Rembrandts verschatteter Kopfseite auf die Schulter herabfällt, handelte es sich um einen Trend der aristokratischen Männermode. Rembrandts Abstammung war jedoch keineswegs adelig. Mit der Kostümierung und dem direkten Blick aus dem Bild zum Betrachter markiert das Nürnberger Bildnis einen Wendepunkt in Rembrandts Selbstdarstellung: Selbstbewusst trägt der junge Maler seinen gesellschaftlichen, geradezu aristokratischen Anspruch vor.

Statussymbole – Die frühen Selbstbildnisse
Diese gesellschaftlichen Ambitionen sind vor allem in den frühen, in Leiden entstandenen Selbstbildnissen Rembrandts ablesbar, bevor er sich in seiner Amsterdamer Zeit ab 1631 als Bürger und später schließlich auch als arbeitender Maler zeigte. Eines der Selbstbildnisse im höfischen Kostüm gelangte schon um 1630 in die Sammlung des englischen Königs. Dies belegt, dass sie von vornherein zum Verkauf und für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Der Diplomat Constantijn Huygens bezeichnete ihn schon damals als überragendes Malergenie, sagte ihm jedoch gleichzeitig einen gewissen Hochmut nach.
Manche Selbstbildnisse Rembrandts in Kostümierung erinnern an sogenannte Tronies – Studien von Gesichtern, mit denen Ausdruck, Mimik und Charakterdarstellungen erprobt wurden. Es scheint, als ob Rembrandt hier Selbstbildnis und Charakterkopf miteinander verband.

Von der Kopie zum Original
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert galt das Nürnberger Selbstbildnis als Kopie eines Gemäldes im Mauritshuis in Den Haag, über dessen Eigenhändigkeit bis in die frühen 1990er Jahre weitgehend Einigkeit herrschte. 1998 untersuchte eine internationale Expertengruppe die beiden Gemälde im Germanischen Nationalmuseum. Mittels Röntgenaufnahmen wurden am Nürnberger Gemälde Veränderungen im Verlauf des Werkprozesses, sogenannte Pentimenti, festgestellt. Sie dokumentieren Rembrandts kreativen Prozess. Hingegen konnte auf der wesentlich glatter ausgeführten Haager Tafel mithilfe der Infrarotreflektografie eine Vorzeichnung sichtbar gemacht werden, deren Linienführung exakt dem Umriss des Nürnberger Kopfes entspricht. Offenbar wurden dessen Konturen mithilfe einer Schablone auf die Haager Tafel übertragen. So konnte bewiesen werden, dass es sich bei der Nürnberger Tafel um das eigenhändige Selbstporträt Rembrandts handelt.

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Ein vollständiges Set
Die beiden Jakobsmuscheln verraten, wofür dieser Reitermantel benutzt wurde: Es handelt sich um den wasserabweisenden Überwurf eines Pilgers. Er bildet ein Set zusammen mit einem Wollfilzmantel (T550), einem Hut (T552), einem Pilgerstab (T554) und einem Rosenkranz (KG303). All diese Gegenstände gehörten Stephan IIWeiterlesen

Ein vollständiges Set
Die beiden Jakobsmuscheln verraten, wofür dieser Reitermantel benutzt wurde: Es handelt sich um den wasserabweisenden Überwurf eines Pilgers. Er bildet ein Set zusammen mit einem Wollfilzmantel (T550), einem Hut (T552), einem Pilgerstab (T554) und einem Rosenkranz (KG303). All diese Gegenstände gehörten Stephan III. Praun aus Nürnberg. Auf einem Bild, welches wohl erst nach seinem Tod entstand, sieht man ihn – mit leichten Abweichungen – in der ganzen Garnitur (Gm655). Der schwarze Ledermantel ist kreisrund geschnitten, hat einen Stehkragen und hinten einen „Reiterschlitz“, der die Bewegungsfreiheit des Trägers erhöhte. Er ist vergleichbar mit spanischen Reitermänteln dieser Zeit, wenn auch nicht sicher belegt ist, dass alle Teile der Garnitur in Spanien hergestellt wurden.

Gründe für die Pilgerreise
Der 26-jährige Protestant Stephan III. Praun hielt sich 1570 am spanischen Königshof in Madrid auf und begann von dort aus per Pferd seine Pilgerreise nach Santiago de Compostela. An diesem wichtigsten Pilgerort (West-) Europas befindet sich die Grabstätte des Apostels Jakobus des Älteren. Der lange, beschwerliche Weg war für die Gläubigen gleichermaßen eine Prüfung wie auch eine Chance, für ihr Seelenheil vorzusorgen. Eigentlich hatte Luther das Wallfahrtswesen kritisiert. Dennoch nahmen auch viele Angehörige des protestantischen Glaubens den Weg auf sich. Vermutlich spielte gesellschaftlicher Statuszuwachs bei dieser Entscheidung eine Rolle.

Die Jakobsmuschel
Pilgernde schmückten sich nach ihrer Rückkehr gerne mit den Abzeichen ihrer Reise. Das wichtigste Symbol ist bis heute die Jakobsmuschel. Ihre fächerförmigen Rippen wurden immer wieder verglichen mit einer vereinfachten Darstellung der Pilgerwege, die in Santiago de Compostela münden. Noch bis heute werden die Jakobswege mit einem gelben Strahlenkranz ausgeschildert, der an die Rippen auf der Jakobsmuschel erinnert. Außerdem sollen Pilgerreisende die Muscheln als Trinkschalen verwendet haben.

Seltene Relikte
Kleidung aus der Zeit vor dem 18. Jahrhundert hat sich selten erhalten. Oft wurde sie bis aufgetragen oder aber umgearbeitet. UV-Strahlung, Feuchtigkeit und Schädlingsbefall verursachen Schäden an Textilien. Umso erstaunlicher ist es, dass diese Garnitur komplett erhalten blieb, und sogar die Biografie ihres Besitzers bekannt ist.
 

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Silber trifft auf Elfenbein
Friedrich Adler entwarf 1910 die silberne Prunkbowle, deren Umsetzung die Nürnberger Goldschmiedewerkstatt J. C. Wich übernahm. Sie ist nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als Schaustück zu verstehen. Dem zylindrischen Unterbau der Bowle sind gedrechselte Elfenbeinsäulchen vorgelagert. Die eigentliche Schale ist trompetenförmig und zeigt stilisiertes Rankenwerk vor patiniertem Grund. Auf dem Deckel verbinden sich sphärische Dreiecke zu flachen Zeltspitzen. Der Knauf ist eine Arbeit aus durchbrochenem Elfenbein, durch Weiterlesen

Silber trifft auf Elfenbein
Friedrich Adler entwarf 1910 die silberne Prunkbowle, deren Umsetzung die Nürnberger Goldschmiedewerkstatt J. C. Wich übernahm. Sie ist nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als Schaustück zu verstehen. Dem zylindrischen Unterbau der Bowle sind gedrechselte Elfenbeinsäulchen vorgelagert. Die eigentliche Schale ist trompetenförmig und zeigt stilisiertes Rankenwerk vor patiniertem Grund. Auf dem Deckel verbinden sich sphärische Dreiecke zu flachen Zeltspitzen. Der Knauf ist eine Arbeit aus durchbrochenem Elfenbein, durch deren Löcher man die vergoldete Figur eines Trinkenden erkennt. Die Elfenbein-Arbeiten stammen von Adlers Schüler und Mitarbeiter Emil Kellermann.

Tradition und Innovation
Adler und Kellermann lernten sich bei den kunstgewerblichen Meisterkursen des Bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg kennen. Von 1910 bis 1913 leitete Adler vier der insgesamt elf Meisterkurse, die die Qualität und aktuelle Strömungen der bayerischen Kunstindustrie fördern sollten. Aus Adlers und Kellermanns Lehrer-Schüler-Beziehung entwickelte sich eine mehrjährige Zusammenarbeit. In der Prunkbowle setzten sie sowohl traditionelle als auch innovative Impulse um. Die Durchbrucharbeit am Knauf ist dafür beispielhaft: Einerseits kann man sie auf die stilisierten Naturdarstellungen in Erich Haeckels Bildband „Kunstformen der Natur“ (1904; besonders Tafel 22), zurückführen; andererseits bekrönten durchbrochene Sphären schon in der Elfenbeinschnitzerei des 17. Jahrhunderts zahlreiche Pokale.

Erster Weltkrieg und Holocaust
Das Bayerische Gewerbemuseum kaufte die Prunkbowle gleich nach ihrer Entstehung für die Lehrsammlung an. Als das Stück 1914 für eine Ausstellung nach Lyon verliehen wurde, brach der Erste Weltkrieg aus, woraufhin Frankreich die Rücksendung der Leihgaben verweigerte. Die Prunkbowle fand ihren Weg auf den Kunstmarkt, konnte 1976 aber für das Museum zurückgekauft werden. Adler selbst war noch bis 1933 extrem erfolgreich und gefragt. Dann verhängten die Nationalsozialisten ein Arbeitsverbot über den jüdischen Kunsthandwerker und Lehrer. Letztendlich konnte nur ein Teil seiner Familie fliehen. 1942 wurde Adler im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

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Feuerbach monumental
… ein wildes Plänkeln, Streiten, Stürzen“ – so beschrieb Anselm Feuerbach 1860 seinen ersten Entwurf zum Thema der Amazonenschlacht. Ab 1870 arbeitete er drei Jahre lang an diesem monumentalen Gemälde. Riesige Bilder mit lebensgroßen Figuren waren damals beliebt: Man wollte sich beim Betrachten wie ein Augenzeuge vergangener Zeiten fühlen. Doch Feuerbach ging es um mehr als den Blick in die Vergangenheit. Er nutzte das mythologische Thema für die Darstellung zeitloser menschlicher Grunderfahrungen wie Kampf, Chaos und Weiterlesen

Feuerbach monumental
… ein wildes Plänkeln, Streiten, Stürzen“ – so beschrieb Anselm Feuerbach 1860 seinen ersten Entwurf zum Thema der Amazonenschlacht. Ab 1870 arbeitete er drei Jahre lang an diesem monumentalen Gemälde. Riesige Bilder mit lebensgroßen Figuren waren damals beliebt: Man wollte sich beim Betrachten wie ein Augenzeuge vergangener Zeiten fühlen. Doch Feuerbach ging es um mehr als den Blick in die Vergangenheit. Er nutzte das mythologische Thema für die Darstellung zeitloser menschlicher Grunderfahrungen wie Kampf, Chaos und Schmerz.


Zeitlose Zitate
Die sterbende Amazonen-Königin Penthesilea liegt mittig im hellen Vordergrund und ist nur durch ihren reichen Schmuck zu erkennen. Wie mit einem Scheinwerfer lenkt Feuerbach den Blick schlaglichtartig auf Verwundete und Gefallene – keine Helden, sondern die Opfer des Krieges. Für die meisten Figuren griff der Maler auf Werke prominenter Vorbilder zurück, darunter solche von Michelangelo oder Rubens. Der ursprüngliche Kontext spielte bei diesen künstlerischen Anleihen keine Rolle. Es ist die zeitlose Stärke ihrer jeweiligen Ausdruckskraft, die Feuerbach in seiner Komposition vereinte. Das Zitieren berühmter künstlerischer Vorbilder war keineswegs verpönt. Es handelt sich um bewusste Anspielungen, durch die Feuerbach seine kunsthistorische Kenntnis bewies und gleichzeitig die Leistungen der großen Meister vor ihm ehrte.

Erschaffen und Zerstören
Zu seiner Amazonenschlacht malte Feuerbach ein „Zwillingsbild“, wie er es nannte. Das „Gastmahl des Platon“ existiert in zwei Fassungen, die heute in Karlsruhe und Berlin hängen. Anders als die „Schlacht“, ist es ein Sinnbild für die Versöhnung von Leidenschaft und Verstand. Gemeinsam repräsentieren die beiden Gemälde die Pole menschlichen Seins: das Konstruktive und das Destruktive. Feuerbachs Wunsch entsprechend sollten die Bilder einander gegenüber hängen, um den Betrachtenden dazwischen einen Spiegel ihrer selbst vorzuhalten, ganz nach dem antiken Prinzip: Erkenne dich selbst!
Von der zeitgenössischen Kritik unverstanden und verspottet, fand sich für das monumentale Gemälde kein Käufer. Feuerbachs Stiefmutter war es, die die „Amazonenschlacht“ der Stadt Nürnberg schenkte, wo der Maler seine letzten Sommer verbrachte – und wo er auch begraben liegt.

 

 

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Ein einzigartiger Fund
Auf diesen römischen Paradehelm aus der Zeit zwischen 175 und 250 nach Christi Geburt stieß man 1974 bei einem Wettpflügen in Theilenhofen im Kreis Weißenburg-Gunzenhausen in Mittelfranken. Es war ein einzigartiger Fund: Zuvor kannte man Helme dieser Art nur durch Darstellungen und Fragmente, und nun war erstmals ein vollständig rekonstruierbares Exemplar aufgetaucht. Der Helm wurde auf dem Areal des zum Kastell Iciniacum gehörenden Lagerdorfes gefunden..


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Ein einzigartiger Fund
Auf diesen römischen Paradehelm aus der Zeit zwischen 175 und 250 nach Christi Geburt stieß man 1974 bei einem Wettpflügen in Theilenhofen im Kreis Weißenburg-Gunzenhausen in Mittelfranken. Es war ein einzigartiger Fund: Zuvor kannte man Helme dieser Art nur durch Darstellungen und Fragmente, und nun war erstmals ein vollständig rekonstruierbares Exemplar aufgetaucht. Der Helm wurde auf dem Areal des zum Kastell Iciniacum gehörenden Lagerdorfes gefunden..


Symbole der Macht
Der Helm ist aus mehreren Bronzeblechen zusammengesetzt. In Resten kann man erkennen, dass er ursprünglich völlig verzinnt gewesen war und damit silberhell glänzte. Ein Adler, Symbol des höchsten Gottes Jupiter und der römischen Staatsmacht, bekrönt den Helm. In Scheitelrichtung weist der Helm drei eindrucksvolle Kämme auf. Der mittlere wurde ursprünglich von einem hohen Helmbusch geziert, worauf die Befestigungslöcher an den Enden hinweisen. Zwei Löwen, Symbole für Macht, zieren die äußeren Kämme des Helms. Als Gesichtsschutz dienen bewegliche Wangenklappen. Sie zeigen Flachreliefs von Adlern mit Siegeskränzen im Schnabel. Auf dem Stirnband prangt eine Gravur des Kriegsgottes Mars zwischen zwei Feldzeichen. Links und rechts davon ist jeweils eine Siegesgöttin zu sehen. Das Stirnband wird seitlich von unheilabwehrenden Medusenköpfen abgeschlossen.


Schutz oder Zier?
Derartige Paradehelme wurden nicht im Kampf, sondern bei militärischen Reiterübungen getragen. Innen wurde wohl zusätzlich ein Kopfschutz aus Leder befestigt. Ähnliche, aber nicht ganz so aufwendig gestaltete Helme kennt man etwa von Darstellungen auf dem 312-315 errichteten Triumphbogen des Kaisers Constantin in Rom.

 

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